Kreis und quer:Noch trägt der Sheriff Grün

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Mit Pfefferspray bewaffnete Gestalten bewachen in manchen Gegenden schon die Bürgersteige - und sollen ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Und der Schnittlauch? Der wechselt die Farbe

Von Martin Mühlfenzl

Bald wird einer der schönsten Kosenamen für Polizisten verschwunden sein: "Schnittlauch". Die Nennung dieses Namens darf an dieser Stelle freilich nicht als Beleidigung aufgefasst werden - eher als respektvoll gemeinte, bayerische Liebkosung. Und leider haben sich die meist gebündelt und in Grün auftretenden Beamten ja per Umfrage selbst dafür entschieden, künftig in blauen Uniformen auf Streife zu gehen. Das Straßenbild wird sich also ändern.

In manchen Gemeinden hat sich dies auch ohne ästhetische Vorgaben schon verändert. In Haar und Taufkirchen sind bereits dunkel gekleidete Securitys auf den Bürgersteigen unterwegs, halten Augen und Ohren offen, kontrollieren streng, ob vermummte Gestalten durch sauber gepflegte Vorgärten huschen oder jugendliche - manchmal auch ältere - Flegel Spiel- oder Marktplätze verdrecken. Sicherheitswacht nennt sich dieses Phänomen, das dem Willen des Innenministers nach genau das vermitteln soll, was im Namen steckt: Sicherheit. Die Bürger in Uniform sind laut Ministerium keine Ersatzpolizisten, Hilfssheriffs oder mit besonderen Befugnissen ausgestattete Türsteher, die kiffenden Jugendlichen den Eintritt in den Stadtpark verwehren können. Sie sollen nur qua Präsenz aufzeigen, dass alles in Ordnung ist. Sicher halt - dank der Wächter.

Aber ist es nun ein präventives Gefühl der Sicherheit, das mit dieser Maßnahme transportiert werden soll? Ist die Situation schon derart außer Kontrolle, dass Bürger die Kommunen des Landkreises überwachen müssen? Sind die echten Sheriffs gar überfordert? Nichts dergleichen. Natürlich ist der Landkreis keine Insel der Glückseligen, auch hier steigen nächtens Langfinger in Häuser ein, schlagen sich Besoffene auf Volksfesten auf die Schädel, flüchten Fahrer vom Unfallort und gibt es alle anderen unschönen Verbrechensformen. Wenn hier aber die Polizeichefs in Bürgerversammlungen ihre Straftatenstatistiken vortragen, verspürt der geneigte Zuhörer ähnlich viel Spannung wie am Sonntagabend bei einem Tatort aus Ludwigshafen.

Der Ministerialbeamte freilich glaubt, das Sicherheitsgefühl steige, wenn nur noch mehr Menschen in Uniform auf den Straßen unterwegs sind. Er kann sich aber nicht vorstellen, dass bei vielen Menschen das genaue Gegenteil der Fall ist: Dass Misstrauen und Argwohn wachsen - denn von der Sicherheitswacht zur Bürgerwehr ist es nicht weit; dass es Ängste auslösen kann, wenn einem abends der ohnehin mürrische Nachbar, der noch nie Opfer einer Straftat geworden ist, mit Pfefferspray bewaffnet auf dem Bürgersteig entgegen kommt.

Es ist berechtigte Skepsis angebracht, wenn Bürger in Uniformen gesteckt werden. Wenn die Sicherheit so sehr von einem Gefühl abhängt, sollte vielmehr die Botschaft transportiert werden, dass gerade im Landkreis die Polizei immer noch alles im Griff hat. Und die echten Beamten selbst beim Eintreffen am Unfallort ganz ruhig bleiben, wenn es heißt: "Schau, da kimmt a, da Schnittlauch!"

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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