Kreis und quer:Nicht weitersagen: Geheimtipp!

Lesezeit: 2 min

Was ist nur aus dem August geworden? Seine einst lethargische Seele hat er längst verloren

Von Iris Hilberth

Es gibt Tage im Kalender, die streicht man sich dick an. Denen fiebert man entgegen wie Kinder, die aufs Christkind warten. Der 1. August ist so ein Tag X, denn diesen ersten Ferientag im Sommer sehnen selbst Leute herbei, die seit Jahrzehnten keine Schule mehr von innen gesehen haben. Und das hat nichts damit zu tun, dass dann der große Urlaub und damit eine tolle Reise beginnt. Im Gegenteil. Vielmehr denkt man sich, man ist besonders schlau, im August nicht wegzufahren und die anderen neidlos von dannen ziehen zu lassen. Sollen die sich doch an den Stränden der Adria drängeln, während man selbst endlich das hat, wonach man sich das ganze Jahr über gesehnt hat: Ruhe! Platz! Zeit!

Man bildet sich ein, dass es lange als eine Art Geheimtipp galt, den August in und um München zu verbringen. Plötzlich leere Straßen, Parkplätze direkt vor der Haustür, Essengehen ohne frühzeitige Reservierungen und Seen mit einer überschaubaren Anzahl von Badegästen. So war das. Lieber August! Was ist nur aus dir geworden? Nun ist schon die zweite Woche rum, und du, der du sonst eine so gemütliche, fast schon lethargische Seele hattest, machst geradeso weiter, wie der Juli geendet hat. Der McGraw-Graben ist morgens wie abends mit Pendlern verstopft, an der Isar geht es zu wie kurz vor Weihnachten am Stachus, beim Griechen am Ort sind schon wieder alle Tische belegt und einen Parkplatz findet man immer noch nicht. Täglich hofft man auf Besserung, stattdessen bleibt die Frage: Was machen die alle noch hier?

Nun ist ein Geheimtipp an sich schon ein Paradoxon. Wenn nur einer an dem Wort "geheim" etwas nicht verstanden hat, kann man es eigentlich vergessen. Jüngstes Beispiel ist der kleine Ort Lavertezzo im schweizerischen Verzascatal mit einem wunderbaren Fluss, "so schön wie die Malediven". Das haben vier Jugendliche gerade mit einem klitzekleinen Videofilm verraten und dieses Geheimnis ins Internet gestellt. Großer Fehler. Die Touristenhorden lassen sich nicht mehr bremsen. Auch Geheimtipps, mit denen Reiseführer vermeintliche Exklusivinformationen an den Kunden bringen, sind natürlich spätestens mit dem Andruck des Werks solche gewesen. Und man denke nur an den Lauser Weiher. Wie ruhig es hier war, im südöstlichen Landkreis, damals, als nur die Unterlauser und Ayinger von der Existenz des Gewässers wussten - bis es in der Zeitung stand.

Das Problem an solchen Geheim-Tipps sind aber immer auch die hohen Erwartungen. Geheime Dinge haben schließlich ihren besonderen Reiz. Noch dazu wähnt man sich im erlauchten Kreis der Insider und Besserwisser. Auf die Idee, dass andere längst auch schon auf dem gleichen Informationsstand sind, kommt man erst, wenn man sich wie jetzt mit all den anderen durch den Münchner August staut. Und dann fragt man sich: Wer hat da geplaudert?

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: