Kreis und quer:Mit der Ottobahn in den Stau

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An Visionen zum Verkehr der Zukunft mangelt es im Landkreis nicht. Sehr wohl aber an der Umsetzung. Erstmal sollten S- und U-Bahn ertüchtigt werden

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Verkehrsnachrichten wohnt eine gewisse, immer wiederkehrende Komik inne. Zu den gängigsten Gags gehört die Ansage: "Höhenkontrolle im Allacher Tunnel ausgelöst." Da weiß der geneigte Radiohörer sofort, dass ein Lastwagenfahrer die Maße seines eigenen Fahrzeugs nicht ganz korrekt eingeschätzt und die Höhe der Tunneldecke unterschätzt hat. Es braucht aber nicht zwingend einen Tunnel, um den Verkehr in Stadt und Landkreis zum Erliegen zu bringen. "Stau auf der A 99", "B 471 gesperrt", "A 94 bis zum Kreuz München-Ost gesperrt" - nahezu alltäglich erreichen die leidgeplagten Pendler schlechte Nachrichten.

Da bleibt im Stau viel Zeit zum Nachdenken. Darüber etwa, wie denn die Mobilität der Zukunft aussehen könnte. Welche Verkehrsmittel das Auto ersetzen sollten. Wie in diesem Zusammenhang der CO₂-Ausstoß reduziert und Klimaneutralität erreicht werden kann. An kreativen Ideen mangelt es dabei nicht: Seilbahnen sollen dereinst durchs Hachinger und Isartal schweben. Ein aufgeständerter Radweg soll den Radlern über der B 304 von Haar bis Haidhausen ein Gefühl der Überlegenheit vermitteln. Mit der Ottobahn, einem Gondel-System, will das gleichnamige Unternehmen Pendler über die A 8 von Taufkirchen und Ottobrunn aus Richtung Münchner Innenstadt transportieren. Und manch einer träumt noch immer den Stoiberschen Traum von der Magnetschwebebahn. "Steigen Sie in den Ludwig-Bölkow-Campus ein...", könnte die Vision lauten.

Träumen ist freilich erlaubt - aber nur mit Visionen ist es nicht getan. Und davon gibt es im Landkreis München zu viele. All die Gedankenspiele zur Mobilitätswende - verpackt in zig Machbarkeitsstudien - sind lediglich Stückwerk; ein Puzzel, das niemand zu einem einheitlichen Konzept wird zusammensetzen können.

Dass es einen Wandel geben muss - weg vom Auto - ist Konsens. Aber das Tempo, das die Politik vom Bund über das Land bis auf die Landkreisebene eingeschlagen hat, ist seit Jahrzehnten zu langsam. Deutlich wird dies vor allem am noch nicht erfolgten zweigleisigen Ausbau der S-Bahn-Trassen im Landkreis sowie der schier endlosen Debatten über die Verlängerungen von U-Bahnen aus der Stadt in den Landkreis. Solange diese zwei tragenden Säulen der Verkehrswende nicht vorangetrieben werden, lohnt es kaum, über alternative Antriebsformen und -systeme zu reden. Und bis dahin werden die Pendler vor allem über eines nachdenken: Wann sich endlich der Stau auflöst.

© SZ vom 14.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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