Kreis und quer:Mehr als Wikipedia-Wissen

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Bewahrer der Geschichte wie Hermann Rumschöttel haben einen unschätzbar hohen Wert für den Landkreis

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Früher war doch alles einfacher. Als im 14. Jahrhundert die Linie derer von Baierbrunn mit dem Tod Konrad IV. ausstarb, ging dessen Burg einfach in den Besitz der Herren von Preysing-Wolznach über. Quasi vom Niederadel - obwohl er doch auf einer Hochburg thronte - in die Hände eines altehrwürdigen bayerischen Adelsgeschlechts. Da wurde keine Erbschaftssteuer gezahlt. Keine nervenaufreibenden, Familien zerstörenden Grabenkämpfe mit Anwälten vor Gericht ausgetragen. Zack, der eine geht. Und, schwuppdiwupp, dem anderen Adeligen gehört's.

Geschichte kann so einfach sein. Meint der geneigte Betrachter. Und mit ein wenig Wikipedia-Wissen lässt sich auch am Stammtisch herrlich auftrumpfen. "Schon 885 gab es ja einen Königshof in Helfendorf. Das ist übrigens ein Ortsteil von Aying. Habt's des gwusst?" Klar, wissen wir alle. Also zumindest die Sache mit dem Ortsteil. Doch es gibt so unendlich Vieles, was es zu wissen geben könnte - aber nur die allerwenigsten wirklich wissen. Auch über die eigene Heimat. Den eigenen Ort. Über den Ortsteil und die Straße, in der man wohnt. Geschichte entsteht auch gewissermaßen von unten nach oben; wächst aus der kleinen Keimzelle heraus und entwickelt sich zu etwas Großem. Hermann Rumschöttel, der große Historiker aus Neubiberg, hat das in der Chronik des Landkreises, die er mitgestaltet und herausgegeben hat, einst so beschrieben: "Das deutsche Wort für Heimat, althochdeutsch 'heimôti' (Haus und Hof) hat durch die Jahrhunderte eine auffallende Bedeutungsvielfalt." So steht der Begriff für das elterliche Haus, den Dorfraum, die Sippe. Freilich, schreibt Rumschöttel, war Heimat auch ein Rechtsbegriff. Und sehr viel später - Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert - erfuhr der Begriff eine "emotionale Aufladung". Eine Verklärung.

Die freilich hält bis heute an. Schon alleine Hermann Rumschöttels an dieser Stelle sehr kurz zusammengefasste Erläuterung des Begriffs Heimat macht indes deutlich, dass es doch nicht so einfach zu sein scheint, sich mit der Geschichte, auch und gerade mit der eigenen zu befassen. Umso wichtiger ist es, dass Menschen wie Hermann Rumschöttel eine Lebensaufgabe darin erkennen, die Geschichte des Landkreises, seiner Kommunen und Menschen zu erforschen, aufzuarbeiten, aufzubereiten - und damit auch, so weit das möglich ist, im kollektiven Gedächtnis zu verankern.

Rumschöttel ist auch für diesen wichtigen Teil seines Lebenswerks gemeinsam mit Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, der ehemaligen Kreisbäuerin Maria Knoller und Gräfelfings Ex-Bürgermeister Eberhard in der vergangenen Woche mit dem Ehrenring des Landkreises geehrt worden. Vier starke Persönlichkeiten, an die sich womöglich und hoffentlich dereinst die Historiker und Geschichtsschreiber erinnern werden. Burgen besitzen sie keine - und werden doch Bleibendes hinterlassen.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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