Kreis und quer:Keimzelle großer Träume

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Der letzte Oscar-Gewinner aus den Studios in Geiselgasteig liegt schon einige Zeit zurück. Der Film im Landkreis ist aber quicklebendig

Von Udo Watter

Die Wirklichkeit ist kein monolithisches Phänomen, das wird dieser Tage nicht nur feststellen, wer nach dem Genuss von vier Doppelbock den Masskrug oder seine Frau doppelt sieht. Dass die Wirklichkeit auch noch mit der Wahrheit übereinstimmen könnte, diese Annahme wirkt geradezu lächerlich, wenn man bedenkt, wie viele Versionen von Wahrheit allein im Weißen Haus oder in einem Gemeinderat existieren. Das Kino, die große Illusionsmaschine, nimmt für sich im Allgemeinen gar nicht in Anspruch, Realität zu transportieren. Vielmehr könnte man behaupten, dass der Film mithilfe technischer Stilmittel das Publikum manipuliert und Emotionen nur inszeniert. Freilich: im Erwecken (und Empfinden) von Breitwandmomenten steckt auch eine höhere Form der Wahrheit, die Wahrnehmung ist letztlich der einzige Charakter der Wirklichkeit.

Die Welt des Films prägt unser Leben jedenfalls trotz aller Abgesänge auf das Kino immer noch mehr als uns vielleicht bewusst ist. Vorstellungen von Romantik oder Coolness, historisches oder gesellschaftskritisches Bewusstsein, aber auch Gestik, Mimik oder Humor - viele Facetten davon dürfte die Traumfabrik Hollywood beeinflusst haben. Auch die Oscar-Verleihung, die in der Nacht auf Montag stattfand, ist ein Ereignis, das alljährlich weltweit höchste Aufmerksamkeit erfährt. Der deutsche Beitrag "Toni Erdmann" ging zwar leer aus und Protagonisten aus München und Umgebung spielten diesmal keine Rolle. Der Landkreis beherbergt freilich durchaus Keimzellen cineastischer Träume.

Das "bayerische Hollywood" liegt bekanntlich in Grünwald/Geiselgasteig, obgleich die großen Glanzzeiten der Bavaria Filmstudios ("Das Boot", Die unendliche Geschichte", der achtfache Oscar-Gewinner "Cabaret"), schon etwas zurückliegen. Auch als Filmkulisse kann der Landkreis mit Schauplätzen wie Schloss Schleißheim ("Wege zum Ruhm"), Oberbiberg ("Wer früher stirbt, ist länger tot", "Sommer in Orange" ) oder dem Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching ("Fack ju Göhte") aufwarten. Und um die Filmschaffenden selbst scheint es ebenfalls gut bestellt zu sein: Gerade haben fünf Schüler aus Taufkirchen mit ihrem Werk "Das (Bildungs-)System" beim Münchner Jugendfilmfestival "Flimmern und Rauschen" den Preis in der Kategorie der Zwölf- bis 16-jährigen gewonnen. Vier Ayinger Schüler qualifizierten sich im Februar beim "99-Films-Award" in Berlin als jüngstes Team von 3000 Bewerbern für die Endrunde der 99 Besten. Und dieses Wochenende zeigen bei den Oberhachinger Film- und Fototagen etliche Regisseure aus der Region ihre Werke. Die sind zwar nicht so episch wie Hollywood-Streifen, aber versprechen mit Titeln wie "Hausfrau sein dagegen sehr", "Das geteilte Dorf" oder "...aber eigentlich bin ich Landwirt" einen spannenden Zugang zu den Ebenen der Wirklichkeit.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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