Kreis und quer:Ins Kukoz oder zum Forstner?

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In manchen Gemeinden finden kulturelle Events noch immer in der Aula der Grundschule oder im Haus für Weiterbildung statt. Kultur-Locations, die sich als angesagt etablieren wollen, brauchen jedoch sexy Namen

Von Udo Watter

Sprache beeinflusst unser Denken, Sprache manipuliert unser Denken. Man kann schöne Bilder vom Abendhimmel "Skyporn" nennen und löst damit einen Internet-Hype aus. Oder als Immobilienmakler "Nordschwabing" statt "Milbertshofen" schreiben und so potenzielle Mieter verführen. Tabuworte wie "Neger" oder "Spacko" lösen Stressreaktionen aus, flotte Etikettierungen verleihen biederen Waren Sex-Appeal, und eindrückliche Metaphern dringen unmittelbarer in unser Hirn als sachlich korrekte Formulierungen.

Ritter-Hilprand-Hof. Nun ja. Nicht gerade der Brüller. Zumal besagter Hilprand offenbar gar kein Ritter war, wie der Taufkirchner Heimatforscher Dietrich Grund in seinem neuen Buch vermutet. Auch das merkwürdige Wappen des "Hilprand Taufkircher", das einen Löwen zeigt, der sich offensichtlich ein Schwert durch Maul und Hinterkopf bohrt, mutet als Fanal einer mutmaßlichen Selbstverstümmelung nicht gerade unwiderstehlich an. Aber auch ohne die jüngsten Ergebnisse historischer Forschungsarbeit hätte der lange gebräuchliche Name für das Taufkirchner Kulturzentrum wohl keine große Zukunft mehr gehabt. Besagte Institution heißt in der offiziellen Diktion jetzt "Kultur & Kongress Zentrum Taufkirchen" oder Kuz - und wie man im aktuellen Programmheft noch liest, wollen es die Verantwortlichen zu dem Kultur- und Kongresszentrum respektive zu der Location im Münchner Süden machen. "Ein gutes Team, eine tolle Location, eine neue Gastronomie und eine starke Marke." Sapperlot. Und das Ganze nur acht Kilometer von München entfernt.

Die benachbarten Kulturtempel können sich also warm anziehen, ob nun das Kubiz (Kultur- und Bildungszentrum) in Unterhaching oder das Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn. Das wird zwar auch voraussichtlich weiterhin so heißen, nicht zuletzt weil Ermanno Wolf-Ferrari ein Opernkomponist und kein selbstmordgefährdeter Pseudo-Ritter war, aber um den kulturellen und veranstaltungstechnischen Leuchtturm-Status im Süden muss von nun an härter gekämpft werden. Nur am Rande erwähnt sei hier der Oberhachinger Bürgersaal beim Forstner. Halloooo? Beim Forstner. Das klingt mehr nach tiefstem Oberland als nach acht Kilometer südlich von München. Nur soviel: Das Gasthaus daneben heißt "Schinkenpeter im Forstner". Die Gemeinde Neubiberg ist im Wettstreit um die First Lady der Kulturmetropolen im südlichen Landkreis ohnehin eine Quantité négligeable und kann das auch mit der eventuellen Sexyness ihrer Veranstaltungsorte nicht kompensieren. Events dort finden gerne in der Aula der Grundschule oder im Haus für Weiterbildung statt . . . nun ja.

Apropos Weiterbildung. Der Philosoph Martin Heidegger hat behauptet, die Sprache sei das Haus des Seins: "In ihrer Behausung wohnt der Mensch. Die Denkenden und Dichtenden sind die Wächter dieser Behausung." Michael Blume, Leiter und Hausherr des Kuz, formerly known as Ritter-Hilprand-Hof, steht zur selbstbewusst designten PR-Wortwahl im neuen Programmheft: "Jeder muss schauen, dass er seinen Laden vorwärts bringt. Klappern gehört dazu." Der lässige Lederjackenträger Blume, der als gebürtiger Rheinländer den Dingen gerne auch eine heitere Dimension abringt, gibt mit Blick auf das neue Projekt "Kultur & Kongress Zentrum" freilich zu: "Eigentlich müssten wir es Kukoz nennen."

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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