Kreis und quer:Im Herzen der Leere

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Das Kulturangebot im Sommer beschränkt sich auf die Musikdarbietungen von den Isar-Flößen

Von Udo Watter

Daheim gebliebene Landkreis-Bewohner, die Kultur-Aficionados und zugleich stramme Lokalpatrioten sind, müssen derzeit dem horror vacui ins Auge blicken. Ja, man könnte sogar behaupten: Was den ohnehin sommerdürren Veranstaltungszyklus im August angeht, befinden wir uns quasi im Herzen der Leere, im Auge der kulturellen Windstille. Während es zu Monatsbeginn noch das eine oder andere erbauliche Sommerfest und Open-Air-Konzert gab oder auch vereinzelte Ausstellungseröffnungen für die Freunde bildender Kunst, tendiert das offizielle Live-Angebot vor der eigenen Haustür mittlerweile gegen Null. Kultur der kurzen Wege? Nicht im langen Sommer.

Klar, in der nahen Großstadt lassen sich immer noch genügend Veranstaltungen finden. Selbst im Landkreis gibt es etwa mit dem Schloss Schleißheim einen Schauplatz, der auch im August jedes Wochenende als kulturelle Bühne genutzt wird; man könnte ferner ins Auto steigen, die Grenzen Oberbayerns passieren und zu den Müttern aller bildungsbürgerlichen Sehnsuchtsorte reisen: den Bayreuther respektive Salzburger Festspielen, wobei hier die Ticket-Frage - Erhältlichkeit, Preis - wohl die entscheidende ist. Jenseits dieser Hochämter der Opern- und Theaterkunst - quasi am anderen Ende der Kultur-Skala - gibt es freilich eine Art beweglicher Open-Air-Konzerterlebnisstätte, deren Wirkungszauber man in einer bestimmten und besonders schönen Region des Landkreises derzeit ausgesetzt ist. Wer die Stadt per pedes oder mit dem Fahrrad gen Süden verlässt und sich den Fluss entlang bewegt, wird im Isartal - wie jedes Jahr und besonders am Wochenende - mit einer breiten Palette von Live-Musik konfrontiert. Die beliebten Passagierfloßfahrten von Wolfratshausen nach München führen großteils durch Landkreisgebiet, und dort entfaltet sich auch die akustische Hegemonie der von Blechbläsern dominierten Bord-Bands. Jedes dieser Flöße hat eine Aura wie ein kleines Freiluft-Wiesnzelt, aber wer länger am Kanal/Fluss verweilt oder zwischen den beiden Wasserläufen entlang flaniert, wird signifikante Unterschiede in punkto musikalischer Qualität feststellen. Zwischen Umtata-Klassiker und Prosit-befeuernde Evergreens schleichen sich da mitunter sogar jazzige Klänge. Auch was die Schönheit der Intonation angeht und der Englisch-Aussprache sind bei den Sängern Diskrepanzen wahrnehmbar. Der Background-Chor, also die Floßgäste, befleißigt sich ebenfalls unterschiedlichen Niveaus, changiert zwischen fröhlichem Grölen und taktvoller Bierruhe. Gleichwohl: Obschon die akustische Unterhaltung umsonst ist, dürften die meisten Isartal-Besucher Hörerfahrungen und Bildungserlebnisse vorziehen, die es dann von Herbst an wieder ein paar Meter weiter oben, am Hochufer, gibt - etwa im Pullacher Bürgerhaus oder im August-Everding-Saal zu Grünwald.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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