Kreis und quer:Identität stiften

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Jede Schule dürfte sich froh schätzen, den Namen Max Mannheimer zu tragen. Gerade in Zeiten wie diesen

Von Bernhard Lohr

Wenn an diesem Sonntag Schüler des Ernst-Mach-Gymnasiums in der Mohr-Villa in Bogenhausen ihr Stück Spurensuche auf die Bühne bringen, wird Max Mannheimer unter ihnen sein. Ohne den Ende September im Alter von 96 Jahren gestorbenen Zeitzeugen des Holocaust gäbe es dieses Stück in dieser Form nicht. Die Schüler hatten sich mit ihrem Lehrer auf Spurensuche begeben. Sie setzten sich mit den Verbrechen der NS-Diktatur auseinander und versuchten mit Recherchen, an ihrem Heimatort das schwer Begreifliche greifbar zu machen.

Sie beschäftigten sich mit den NS-Schergen, die von der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Eglfing aus Patienten in den Tod schickten oder diese selbst in Haar ermordeten. Die Schüler besuchten Tatorte wie die Tötungsanstalt in Hartheim. Und sie hatten bei all den bedrückenden Erlebnissen das Glück, dem Zeitzeugen Mannheimer zu begegnen. Was der Auschwitz-Überlebende zu erzählen hatte, der an der Rampe des Vernichtungslagers seine Eltern, seine Schwester und seine Frau zum letzten Mal sah, war in der Sache nicht tröstlicher. Aber der Zeitzeuge, der von sich selbst sagte, dass er nicht hassen könne, baute als unerschütterlicher Menschenfreund Brücken. Er sah sich als Aufklärer und Botschafter einer besseren Welt.

Als solcher war der in Haar wohnhafte Mannheimer häufiger Gast an Schulen. Besonders oft war er am Gymnasium Grafing im Landkreis Ebersberg, wo jetzt ein Lehrer vorgeschlagen hat, die Schule nach Mannheimer zu benennen. Selten dürfte eine Person besser dafür geeignet gewesen sein. Namensgeber stiften Identität und formulieren wenn möglich einen Auftrag, dem sich die Schulfamilie verpflichtet fühlt. Und was für ein Geschenk ist es, wenn so jemand noch direkt mit der Schule in Verbindung stand.

Die Auseinandersetzung mit den Gräueln der NS-Diktatur sind für Pädagogen eine Daueraufgabe. Gymnasien im Landkreis, auch das in Haar, haben sich zu "Schulen ohne Rassismus" erklärt. Gerade jetzt ist solch ein Engagement wichtig, da Neonazis und alte Rechte gegen Fremde Stimmung machen und versuchen, die Geschichte in anderes Licht zu rücken. Das Beispiel der Haarer Gymnasiasten zeigt, dass sich junge Menschen nicht blenden lassen wollen. Sie wollen sich im Sinn von Mannheimer offenen Auges, aber ohne Bitternis der Vergangenheit stellen. Nur so kann sich die Jugend hoffnungsvoll der Zukunft zuwenden.

Max Mannheimer trat auch in vielen Schulen im Landkreis München als Zeitzeuge auf. Er lebte in Haar. Es muss jetzt kein Wettrennen beginnen. Sicher ist aber: Jede Schule könnte mit gutem Grund und gutem Recht seinen Namen tragen. Vielleicht wird es trotz der Nähe zu Grafing auch im Landkreis eine Schule dieses Namens geben. Schön wäre es.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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