Kreis und quer:Hilfe kann es nur auf Zeit geben

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Die Ersthilfe ist gelungen. Nun darf die Integration der Geflüchteten im Landkreis nicht scheitern - sonst flüchten auch die Helfer

Von Lars Brunckhorst

Es ist schwer, sich dem Zauber der Weihnachtsgeschichte zu entziehen. Dieser liegt ja weniger in den Engeln über dem Feld und der frommen Andacht der Hirten, als vor allem darin, dass Gottes Sohn in bitterer Armut geboren wird. "Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge", heißt es im Matthäus-Evangelium. Die ganze Ambivalenz der Hilfsbereitschaft kommt in diesen wenigen Zeilen zum Ausdruck: Einerseits ist da die Empathie des Herbergsvaters, der das von der beschwerlichen Reise müde Paar aufnimmt und der jungen schwangeren Maria ein Lager anbietet. Andererseits zeigt er den werdenden Eltern die Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten auf, indem er ihnen den Stall zuweist, statt ihnen ein Zimmer zu richten. Ein Dilemma, das vertraut ist.

Den Flüchtlingen, die in den vergangenen Jahren zu Tausenden ins Land und in den Landkreis kamen, wurde aus Mitgefühl ebenfalls gerne Obdach gewährt. Allerdings räumte in den seltensten Fällen jemand ein Zimmer frei. Stattdessen wurden Traglufthallen und Modulhäuser aufgestellt. Niemand musste zusammenrücken oder etwas abgeben. Doch selbst diese Aufnahmebereitschaft ist allmählich erschöpft. Sogar denjenigen, die sich in Helferkreisen um die Schutzsuchenden kümmern, schwinden Kraft und Mut. "Die Leute haben keine Energie mehr", sagte unlängst die Sprecherin des Grasbrunner Asylhelferkreises. Frustriert schmeißen viele hin. Von den ehemals dreihundert ehrenamtlichen Helfern am Ort sind nur ein paar Dutzend übrig.

Dabei ist die Zahl der Hilfsbedürftigen nahezu gleich geblieben. Zwar kommen seit geraumer Zeit keine Flüchtlinge mehr nach, aber viele von denen, die da sind, sind auch nach drei Jahren noch auf Unterstützung angewiesen. Registriert, untergebracht und neu eingekleidet sind die Ankömmlinge, was anfangs die Hauptaufgabe der Helfer war. Jetzt wartet auf diese eine andere, nicht weniger intensive Arbeit: Die Hiergebliebenen brauchen Deutschunterricht, Wohnungen, Arbeit. Doch die Integration gestaltet sich wegen kultureller und sprachlicher Barrieren schwierig, Arbeits- und Bleibeperspektiven sind düster, Förderung und Unterstützung durch den Staat dürftig. Die sogenannten Integrationshelfer, die in großer Zahl im Landratsamt eingestellt wurden, sitzen nach den Erfahrungen der Praktiker in den Helferkreisen in ihren Büros "und warten darauf, dass ein Flüchtling vorbeikommt", wie ein Helfer aus Erfahrung berichtet.

Nach der gelungenen Ersthilfe darf es nun nicht an der Integration scheitern. Die wurde schon einmal versäumt: bei den Gastarbeitern, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren kamen. Denn so viel ist auch klar: Hilfe kann es immer nur auf Zeit geben. Irgendwann muss jeder auf eigenen Füßen stehen. Auch Maria und Josef blieben nicht im Stall von Bethlehem. Nach ihrer Flucht nach Ägypten kehrten sie mit ihrem Kind zurück nach Nazareth.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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