Kreis und quer:Harmonisches Miteinander

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Der Politik im Landkreis gelingt es, eine echte Willkommenskultur zu etablieren - und aufrecht zu erhalten. Weil die Parteien nicht mehr wie Parteien agieren

Von Martin Mühlfenzl

Viel ist in diesen Tagen davon die Rede, dass Grenzen sich auflösen. Dass Unterschiede überbrückt werden müssen. Barrieren fallen sollen. Die Rede selbst aber ist freilich nur das eine. Der als Hardliner verschriene CSU-Rebell Peter Gauweiler hat beim vor Folklore strotzenden Keferloher Montag gesagt, die Tat sei wichtiger als tausend Worte. Und so handeln die Menschen im Landkreis. Grenzen, Barrieren und Unterschiede spielen keine Rolle mehr; das ist das Bild dieser Tage und Wochen. Das ist diese spezielle Kultur dieser Region. Es ist Ausdruck einer ganz besonderen Verbundenheit der Menschen untereinander, die sich durch alle Bereiche zieht - und jetzt besonders deutlich wird.

Und während in der Landeshauptstadt in einer Zeit, die auch die Einheit politischer Kontrahenten erfordert, Oberbürgermeister Dieter Reiter und sein Stellvertreter Josef Schmid öffentlich und offen aufeinander losgehen, rücken die Politiker im Landkreis noch einmal enger zusammen. Otto Bußjäger und Annette Ganssmüller-Maluche, die beiden Landratsstellvertreter der Freien Wähler und der SPD, ackern im nächtlichen Einsatz in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Keferloh. Landrat Christoph Göbel - gewissermaßen im 24-Stunden-Einsatz - wird nicht müde, trotz der mehr als schrillen Töne aus seiner Landespartei die besondere Willkommenskultur des Landkreises zu betonen; und darauf hinzuweisen, dass diese seit Jahren Bestand habe und bereits von seiner Vorgängerin Johanna Rumschöttel (SPD) hochgehalten wurde.

Grenzen verschwimmen in der Landkreispolitik. Zwischen Personen und Parteien. Das war nicht immer so. Noch unter dem schwarzen Landrat Heiner Janik, Göbels Partei- und Vor-Vorgänger, war die Kreispolitik bestimmt von giftigen Auseinandersetzungen. Die Zusammenarbeit und Gemeinsamkeit bestand oft nur noch darin, zur selben Zeit am selben Ort zu Kreistagssitzungen zu erscheinen. Die Kultur eines Landkreises und die Identität der Bürger mit selbigem hängt aber primär mit den führenden Köpfen zusammen, schreibt der Neubiberger Historiker Hermann Rumschöttel zurecht. Die heute prägenden Gesichter der Parteien im Landkreis haben es geschafft, eine Basis zu finden, auf der sie gewissermaßen losgelöst von eben jener Parteienstruktur miteinander zu kooperieren. Das "Du" hat in die Beziehungen untereinander Einzug gehalten - und das distanzierte "Sie" abgelöst. Freilich bedeutet diese enge Zusammenarbeit, dieses - bei Loriot würde es so heißen - harmonische Miteinander nicht, dass keine Eigeninteressen mehr verfolgt werden. Natürlich wird in der Kreispolitik um Inhalte gerungen und gestritten. Das gehört zu einem funktionierenden Kollektiv.

Die herausragende Leistung der politisch Handelnden - vom Landrat über die Fraktionssprecher und Bürgermeister bis hin zu den Stadt- und Gemeinderäten - ist eine Kultur der Toleranz, Offenheit und Hilfsbereitschaft. Sie haben begriffen, dass sie für die Stimmung in ihrem Landkreis mitverantwortlich sind. Und dafür, dass diese nicht kippt - und irgendwann wieder neue Grenzen und Barrieren entstehen.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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