Kreis und quer:Grüne Ampel für die Bahn

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Auch der nächste Verkehrsminister könnte aus Bayern kommen: Auf den Andi folgt womöglich der Toni.

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Dem Toni ist ein wenig Unbehagen anzusehen, während der Mann neben ihm in die Kameras und Objektive grinst. Aber Christian Lindner grinst eigentlich immer, egal ob in Schwarz-Weiß vom Plakat oder live vor der Hamburger Landesvertretung im Berliner Ortsteil Mitte neben dem Hofreiter Anton, mit dem er gerade über eine Ampelkoalition im Bund verhandelt. Der Grüne aus Unterhaching lächelt eher seltener und in diesem Moment im grauen Berlin wirkt er, als würde er sich am liebsten sofort die übergroßen Kopfhörer aufsetzen, die in seinem Nacken ruhen, um nicht hören zu müssen, was da aus dem Liberalen neben ihm heraussprudelt. Eine Liebesheirat, so viel wird aus diesen Fernsehbildern der Woche deutlich, wird das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP sicher nicht.

Aber aus dem Toni könnte durchaus was werden. Nicht, dass er bisher nichts wäre. Der Unterhachinger, der einst im Sauerlacher Gemeinderat seinen Einstieg in die Politik feierte, führt bereits seit 2013 als Co-Vorsitzender neben Karin Göring-Eckardt die Bundestagsfraktion der Grünen, all die Zeit in der Opposition. Jetzt soll es nach 15 Jahren wieder mit einer Regierungsbeteiligung klappen, und dem studierten Biologen werden schon lange Ambitionen auf ein Ministeramt nachgesagt. Viele handeln ihn als kommenden Verkehrsminister. Der Mann, der den Deutschen das Grillen und das Einfamilienhaus verbieten will (zwei Falschmeldungen) und den Benzinpreis auf sechs bis sieben Euro erhöhen (eine weitere Ente), soll also womöglich die Zuständigkeit für Straßen, Schienen und Wasserwege übernehmen?

Böse Menschen könnten, wenn sie daran denken, wer das Verkehrsministerium derzeit leitet, auf den Gedanken kommen, sehr viel schlimmer könne es dann auch nicht mehr werden. Dass es sehr viel anders werden würde, machte Andreas Scheuer, der noch geschäftsführende Minister, im August selbst bei einem Besuch der Baustelle des achtspurigen Ausbaus der A 99 deutlich. Da stellte er süffisant fest, dass der örtliche Abgeordnete Hofreiter wohl nur deshalb nicht anwesend sei, weil es sich um eine Straßenprojekt handle. Hätte er aber gar nicht sagen müssen, schließlich ist es hinlänglich bekannt, dass Hofreiter den Schienenverkehr massiv ausbauen will - und auch nie ein Freund der Pkw-Maut war.

Deren krachendes Scheitern könnte er bald als Verkehrsminister - möglicherweise gemeinsam mit einem Finanzminister Christian Lindner - aufarbeiten. Vorher aber stünde die Amtsübergabe im Hauptsitz des Ressorts an der Invalidenstraße in Berlin-Mitte an. Dann sollte Hofreiter seine Kopfhörer auf keinen Fall vergessen und am sinnvollsten auch Aufsetzen. Denn es dürften ihn warme Worte des Noch-Ministers erwarten: "... bestens aufgestelltes Haus!" "... die erfolgreiche und transparente Arbeit der vergangenen Jahre fortführen!" "... skandalfrei bis zuletzt!" Das will nun wirklich keiner hören.

© SZ vom 20.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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