Kreis und quer:Familienplanung in den Bäumen

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Wenn der Frühling naht, verspüren nicht nur Menschen einen Reigen der Hormone

Kolumne Von Michael Morosow

Es war im heißen August 2018, als die Natur kurz vor der Dehydrierung stand und der Sauerlacher Waldbauer Johann Killer arg mit Petrus ins Gericht ging. Jeden Tag, wenn er aufstehe, brenne bereits die Sonne vom Himmel, klagte er einer Tierärztin. Deren Antwort war noch trockener als der Waldboden: "Dann steh halt früher auf." Wenn der Forstmann heute vor die Tür träte, dann wohl ohne Groll, womöglich gar den Evergreen "Singing in the rain" auf den Lippen. Regen bringt Segen, zumal, wenn der Grundwasserspiegel in Sauerlach und Umgebung wie aktuell einen neuen Tiefstand erreicht hat. Der Waldbauer wird aber verstehen, dass nicht jeder vor Freude über schwere Regenwolken, die sich über ihn entladen, von Pfütze zu Pfütze hopst, sondern vielmehr angepisst ist. Wer es lieber trocken mag, der verweilt derzeit besser in seiner Stube und blättert zur moralischen Aufhellung im Reisekatalog Sommer 2019.

Dabei könnte ein Blick aus dem Fenster durchaus noch stimulierender wirken auf ihn. Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar hängen nicht etwa depressiv in den Bäumen rum, nur weil grad mehr Regentropfen als Mücken in der Luft sind. Ihr Motto lautet: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur eine schlechte Neststelle. Um die Premiumstandorte hat es denn auch wochenlang Keilereien gegeben, weil sich halt jeder Vogelhahn einen Platz krallen wollte, bei dem kein noch so anspruchsvolles Weibchen Nein sagen kann. Wären Vögel genauso gestrickt wie deutsche Urlauber, würden sie ihre Neststelle mit einem Handtuch belegen.

Aktuell stehen Familienplanungen im Vordergrund, weshalb gerade ein sehr emsiges Treiben im Gange ist. Der Mensch würde in diesem Zusammenhang wohl von Luftnummern sprechen. Jedenfalls geht es zur Zeit unter den Baumwipfeln zu wie in einer Zweigstelle von Beate Uhse. Und den gefiederten Lüstlingen ist es dabei schnurzegal, ob der Frühling bereits sein blaues Band durch die Lüfte flattern lässt, oder grauschwarze Regenwolken vorschiebt. Natürlich ist Sex in den Bäumen uns Menschen nicht zur Nachahmung empfohlen (die Vögel würden sich einen Ast lachen), aber wir könnten wenigsten der gut gemeinten Aufforderung des deutschen Dichters Hoffmann von Fallersleben nachkommen, die da lautet: "Lasset uns singen, tanzen und springen! Frühling, Frühling wird es nun bald." Also, weg mit dem Reisekatalog und raus in die Natur, die bereits vor dem astrologischen Frühlingsbeginn am 20. März gut im Saft steht.

Wer ein unübersehbares Zeichen des Frühlings und der Fruchtbarkeit braucht, um selbst in Schwung zu kommen, der sollte sich an diesem Samstag beim Schelle-Stadl am Waldrand in Deisenhofen einfinden. Gegen elf Uhr wird der örtliche Burschenverein mit Pferdegespann und Blasmusik mit dem frisch geschlagenen Maibaum ankommen. Wahrscheinlich wird's regnen, aber das soll nun wirklich piepegal sein.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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