Kreis und quer:Eisberge voraus

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Verkehrsbehindernde Schneehaufen sorgen mitunter für aggressive Stimmung bei Autofahrern

Kolumne von Iris Hilberth

Es gibt Lebewesen, die neigen dazu, Berge aufzuschütten. Und sie kommen damit meist ganz gut zurecht. Maulwürfe etwa, die ihre Haufen eh nur von unten sehen und sich über die gute Belüftung ihrer Gänge freuen. Oder die Rennkrabbe. Ocypode saratan markiert während der Paarungszeit ihr Revier sichtbar durch das Aufschütten kleiner Sandhaufen, die sie mit ihren Scheren auch noch festklopft. Bei den Menschen hingegen - so ließ sich diese Woche nach den Schneefällen der vergangenen Wochen feststellen - sind große Haufen ein Grund für jede Menge Ärger.

Wer wie Simon Hötzl im Rathaus Unterhaching unter anderem für Anfragen der Bürger zuständig ist, kann nach weißen Wintertagen bestätigen: "Schneeräumen ist ein sehr emotionales Thema." Das ist freilich keine neue Erkenntnis. Man denke nur an den Hackl Schorsch, der ja qua Amt als Ober-Rodler der Nation dem Schnee und Eis stets eher zugeneigt war. Dennoch hat er sich vor einigen Jahren mit seinem Nachbarn derart übers Schneeschippen gezofft, dass er eine Platzwunde erlitt und beide vor Gericht landeten. Wie der Hackl Schorsch kommen auch andere auf die Idee, den für sie überflüssigen Schnee einfach bei den Nachbarn abzuladen. Was die meist nicht so toll finden und alles wieder zurück schieben. Ein bis zwei Schaufeln sind okay, hat das Amtsgericht München im Winter 2017 bei einem Nachbarschaftsstreit entschieden. Aber da fiel auch nicht so viel Schnee wie heuer.

Große Hügelketten säumen die Wohnstraßen, und auch das einsetzende Tauwetter wird länger brauchen, die zu schmutzigen und kompakten Eisbergen mutierten Schneehaufen wegzuschmelzen. Parkplätze gibt es schon lange keine mehr, und auch ein Durchkommen ist unmöglich, wenn Gegenverkehr auftaucht. Da passiert es leicht, dass sich die Autos in den sich kreuzenden Schluchten zwischen den Schneehaufen in eine derart verfahrene Situation hineinmanövrieren, dass man die erfahrenen Einweiser von Autofähren bräuchte, um das Chaos ohne Beulen wieder aufzulösen.

Die Aggression steigt bei dieser plötzlichen Verknappung des Platzes in der nachverdichteten Region. Manche schaufeln den Platz fürs Auto vor dem Haus frei und stellen eine Bierbank als Platzhalter drauf, andere rufen empört nach Hilfe aus dem Rathaus. Dort versichert man zu tun, was man kann, weiß aber selbst im ländlichen Brunnthal: Es gibt zu wenig öffentlichen Raum und Grünflächen in den Wohngebieten, wo der Schnee hingeschoben werden könnte. Bürgermeister Stefan Kern verspricht aber, nach der Schneeschmelze Bilanz zu ziehen. Man nimmt die Sache also durchaus ernst, denn man weiß auch hier, wo jeder noch viel mehr Raum hat als etwa in Ottobrunn oder Unterhaching: Gedrängtheit und Platzmangel sind belastend. Wie Maulwürfe und Rennkrabben reagieren würden, ist nicht bekannt. Aber Schweine beißen sich gegenseitig Schwänze und Ohren ab, wenn der Platz zu knapp wird.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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