Kreis und quer:Einfach mal ehrlich

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Christina Schutz fühlt sich mit 19 Jahren zu jung für die politische Arbeit und gibt ihr Mandat im Gemeinderat ab. Solch eine Einsicht würde man manch anderem Politiker wünschen

Von Lars Brunckhorst

Wenn Politiker ihren Rücktritt erklären, dann begründen sie das meist so: "Ich habe mir persönlich nichts vorzuwerfen, aber ich sehe mich einer Kampagne ausgesetzt und will Schaden von meiner Partei und meiner Familie abwenden." Eher selten hört man hingegen solche Worte: "Ich habe gemerkt, dass mir die Erfahrung fehlt." Gesagt hat sie diese Woche die 19-jährige Christina Schutz aus Ottobrunn. Vor gut einem Jahr war die CSU-Frau als jüngste Kandidatin in den Gemeinderat gewählt worden, nach nur 14 Monaten hat sie ihr Mandat nun zurückgegeben - weil sie erst noch "persönlich reifen" will, wie sie sagt. Das Amt sei zu wichtig, die Arbeit in einem Kommunalparlament gehe zu sehr in die Tiefe, als dass sie sich dem in ihrem Alter schon gewachsen fühle. Ein sympathisches, mutiges Bekenntnis.

Ich kann das nicht, ich schaff' das nicht. Das würde man gerne auch von vielen anderen hören, die von ihren Parteifreunden in ein Amt gedrängt werden, für das sie noch nicht reif sind - was nur den Sozialdemokraten im Landkreis natürlich nie im Leben einfiele. Man würde es vor allem gerne hören von all denen, die seit Jahr und Tag in Stadt- und Gemeinderäten sitzen, aber kein Wort sagen, dafür während der Sitzungen regelmäßig einschlafen und nur aufwachen, um die Hand zu heben, wenn der Bürgermeister oder der Fraktionsvorsitzende zur Abstimmung mahnt. Oder von Bürgermeistern, die das Rathaus mit dem Wirtshaus und den Ratstisch mit dem Stammtisch verwechseln, wenn es um Asylpolitik und Flüchtlinge geht.

Die Wirklichkeit sieht indes anders aus: Das Eingeständnis, fehl am Platz zu sein, fällt schwer, Politikern allgemein, aber niemandem schwerer als den alten Hasen unter ihnen. Dass ihre Zeit abgelaufen ist, merken sie meist erst, wenn es zu spät ist. Erinnert sei nur an Garchings vor einem Jahr abgewählte Bürgermeisterin Hannelore Gabor oder Aschheims Helmut Englmann, der bis zum Alter von 73 nicht loslassen wollte. Auch Peter Paul Gantzer wird mutmaßlich noch mit 80 ein weiteres Mal für den Landtag kandidieren - getreu dem Motto: Die Reißleine ziehe ich nur, wenn ich mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug springe, aber nicht in der Politik.

Dass andere dem Beispiel der jungen Ottobrunner Gemeinderätin folgen werden, ist daher zweifelhaft. Garchings neuer Rathauschef Dietmar Gruchmann hat zwar jüngst im SZ-Interview eingeräumt, dass der Bürgermeisterjob doch viel anstrengender ist, als er vermutet hatte - aufgeben wird er ihn dennoch nicht. Und der neue CSU-Kreisvorsitzende Florian Hahn traut sich sogar zu, den Kreisverband neben seinem Bundestagsmandat von Berlin aus zu führen. Nur einer hat immerhin einen Anfang gemacht: Ernst Weidenbusch, der bisherige CSU-Kreisvorsitzende. Seinen Rückzug vom Vorsitz begründete er damit, mehr Zeit für seine Frau haben zu wollen. Auch irgendwie sympathisch. Und mutig.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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