Kreis und quer:Die zweite Chance

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Same procedure as last election? Mitnichten. Die Welt hat sich verändert und die Landratswahl 2020 könnte doch spannend werden

Kolumne von Lars Brunckhorst

Nicht auszuschließen, dass es am 15. März 2020 manchen Wählern im Landkreis so ergeht wie 6,7 Millionen Fernsehzuschauern in der alten BRD am Silvesterabend 1986. Als die ARD die Neujahrsansprache des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl übertrug, hatten viele von ihnen das untrügliche Gefühl, das Gleiche schon mal gesehen zu haben. Und in der Tat: Wie der Sender später kleinlaut eingestehen musste, hatte er versehentlich die Ansprache vom Vorjahr noch einmal ausgestrahlt.

Wenn nun am 15. März kommenden Jahres Kommunalwahlen sind, dürfte viele Wähler in den Wahlkabinen ein ähnliches Déjá-vu-Erlebnis überkommen. Auf den Stimmzetteln für die Wahl des Landrats werden dann voraussichtlich lauter Namen stehen, die von der letzten Wahl gut bekannt sind: Christoph Göbel (CSU), Christoph Nadler (Grüne) und Otto Bußjäger (Freie Wähler). Diese drei Kandidaten stehen schon so gut wie fest. Amtsinhaber Göbel soll von der CSU an diesem Samstag gekürt werden, Nadler wurde bereits im Lauf der Woche nominiert und Bußjäger hat sich selbst bereits vor ein paar Monaten selbst ins Gespräch gebracht. Sollte die SPD ihrerseits erneut Annette Ganssmüller-Maluche aufstellen, was durchaus im Bereich des Erwartbaren liegt, wäre das hinlänglich bekannte Quartett von 2014 wieder komplett.

Also: Same procedure as last election? Auf den ersten Blick sieht das so aus. Spötter könnten deshalb gar vorschlagen, die Wahl einfach ausfallen zu lassen, weil das Ergebnis ja ohnehin schon feststehe. Tatsächlich ist momentan ein anderer Wahlausgang schwer vorstellbar. Der amtierende Landrat ist populär und hat die vergangenen Jahre viel vorangebracht, außerdem geht es dem Landkreis und den meisten Menschen hier alles in allem sehr gut. Andererseits ist die Welt in den vergangenen fünf Jahren nicht stehen geblieben: Die Herausforderungen, die auf der Kreispolitik lasten, haben sich nicht nur verändert, sie sind größer geworden. Zwar mag der Landkreis dank Millioneninvestitionen in Schulen bei der Bildung top sein und bei Arbeitsmarkt und Wirtschaftskraft sowieso, doch in puncto bezahlbare Mieten, Nahverkehr, Energiewende sowie Klima- und Naturschutz gibt es noch viel zu tun. Nicht von ungefähr sind die Grünen neuerdings auf dem Weg zur Volkspartei.

Abgesehen davon ist die Tatsache, dass die Parteien denselben Kandidaten vertrauen, nicht per se schlecht. Im Gegenteil. Hat es etwa der SPD im Bund genutzt, dass sie ihre Kanzlerkandidaten alle vier Jahre auswechselte? Haben umgekehrt nicht Willy Brandt - und auch Helmut Kohl - mehrmals kandidiert, bis sie am Ziel waren? Damals wurde Politikern im Gegensatz zu heute eben noch eine zweite Chance gewährt. Und waren das im Vergleich zu heute nicht wunderbar verlässliche, beständige Zeiten? Kohls Neujahrsansprache von 1986 bekam im übrigen auch eine zweite Chance. Die ARD sendete die Ansprache, die richtige, an Neujahr.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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