Kreis und quer:Die Liebe wird brüchig

Lesezeit: 2 min

Das Angebot an Fußball erdrückt die Fans. Der Profi-Betrieb wirkt abgehoben. Und die unteren Spielklassen? Selbst da hat es der Sport schwer. Doch die Hoffnung auf Besserung lebt

Von Stefan Galler

Ein typischer Reflex: Die Bindung wird irgendwann zu eng, alles scheint nur noch Routine. Die Freude auf das nächste Treffen ist nicht mehr zu spüren, weicht einem Gefühl der Sättigung. Und irgendwann mag man nicht mehr. Der Fernseher bleibt aus, die Jahreskarte liegt wochenlang unbenutzt in der Kommode. Die Liebe wird brüchig.

Vielleicht stimmt das, was der Kollege Dominik Bardow in seiner Kolumne für den Tagesspiegel in dieser Woche geschrieben hat: Die Beziehung des Fußball-Fans zu seiner Sportart wird auf eine immer härtere Probe gestellt. Täglich finden Spiele statt, es gibt keine Pausen mehr, das tötet die Vorfreude auf die wirklich außergewöhnlichen Events. Eine Europameisterschaft mit 24 Mannschaften, von denen vielleicht die Hälfte dort überhaupt etwas zu suchen hatte, demnächst eine WM mit 48 Teams, eine aufgeblähte Champions League, Bundesligaspieltage, die schon bald bis zum Montag dauern: Bardow nennt es die Verwandlung von der schönsten Nebensache in eine "hässliche Hauptsache".

Und dazu kommt der finanzielle Irrsinn: Unmoralische Summen sind im Profifußball ganz normal, während Städte und Gemeinden in Deutschland kämpfen, um über die Runden zu kommen. Mit jenen 120 Millionen Euro, die Toni Kroos in den nächsten Jahren bei Real Madrid verdient, könnte er zum Beispiel vier bis fünf Schulen im Landkreis München bauen. Oder ein paar Umgehungsstraßen.

Auch hierzulande schlingert der Lieblingssport der Deutschen - und das hat ebenfalls mit dem schnöden Mammon zu tun. Denn Kohle braucht man heutzutage nicht nur für ganz oben, sondern auch, wenn man beispielsweise von der Bayern- in die Regionalliga aufsteigen will. Der SV Pullach hätte es sportlich allemal im Kreuz, diesen Sprung zu wagen. Dummerweise gibt es am Ort keine Spielstätte, die den Anforderungen des Bayerischen Fußball-Verbandes entspricht. Und so werden die Isartaler zwar vielleicht Meister, der süße Lohn des Aufstiegs bleibt ihnen jedoch vorenthalten. Zum Beispiel deshalb, weil im Wohngebiet an der Gistlstraße ein Bus keinen Platz zum Wenden hat. Vielleicht kommt ja stattdessen Konkurrent FC Unterföhring zum Zug, dort gibt es zumindest Pläne, sich im Erfolgsfall auf einer fremden Sportanlage einzumieten; außerdem wird dort ja demnächst ein Mega-Sportzentrum gebaut, dass dann bestimmt auch viertklassigen Fußball zulässt.

Eine Etage höher zieht die SpVgg Unterhaching einsam ihre Kreise und hat vor diesem Wochenende 14 Punkte Vorsprung. Aber auch der Aufstieg des früheren Bundesligisten steht in den Sternen, weil man für die 3. Liga eine Lizenz braucht, die man nur bekommt, wenn man potent ist. Finanziell, versteht sich.

Aber alles halb so wild. Den ursprünglichen Fußball gibt es nämlich auch noch. Zumindest in der F-Jugend. Letzte Woche war Lokalderby in Ottobrunn. Der alteingesessene TSV hat den FCO mit 6:2 vom Kunstrasen gefegt. Die siegreichen Eltern erwiesen sich allerdings als schlechte Gewinner: Sie beschimpften den neugegründeten Verein als "Plastikklub". Der Liebe der siebenjährigen Knirpse zu ihrem Sport tat's keinen Abbruch.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: