Kreis und quer:Die Helfer kämpfen

Lesezeit: 2 min

Während Politiker Theorien entwickeln, setzten sich die Ehrenamtlichen an der Basis für die Menschen ein, die ihnen ans Herz gewachsen sind

Von Martin Mühlfenzl

Meist trauen sie sich nicht aus der Deckung und verpesten die Posteingänge der Behörden, des Landratsamtes, der Rathäuser, von Stadt- und Gemeinderäten und Redaktionen mit anonymen Schreiben und E-Mails. Merkelhörig, ist dann oft zu lesen. Schande. Vaterlandsverräter. Falsche Propagandazahlen. Der Hass und die Angst sind nicht nur in Freital, Clausnitz oder an Montagabenden in Dresden zu Hause. Auch hier - im Landkreis der Glückseligen - hetzen und agitieren Menschen gegen Flüchtlinge, gegen das Fremde und Unbekannte. Und gegen Veränderungen in ihrer unmittelbaren Nähe.

Längst sind die Stapel mit derartigen Briefen aber kleiner geworden. Die Postfächer im Landratsamt und den Rathäusern quellen nicht mehr über mit Nachrichten unter falschen Namen. Die Debatte um die Flüchtlingspolitik und die damit verbundenen spürbaren Konsequenzen für den Landkreis und die Bürger in seinen 29 Städten und Gemeinden hat sich versachlicht. Sie ist auf einer Ebene angekommen, auf der es weniger um Emotionen als vielmehr um sehr konkrete Maßnahmen geht. Genauer gesagt: um Integration. Leichter ist diese Debatte allerdings nicht geworden. Denn über allem, was den Landkreis direkt betrifft, schwebt die große Politik mit all ihren Schwankungen und Unsicherheiten.

Gemeint sind nicht die Trumps, Erdoğans und Putins dieser Welt, sondern die Bundesregierung sowie die Münchner Staatskanzlei. Von dort aus erreichen alle jene, die diffusen Ängsten trotzen und die Integration aktiv mitgestalten wollen und sollen, immer wieder - gelinde gesagt - verstörende Nachrichten. Von einem Bundesinnenminister, der Flüchtlinge vorerst nur deshalb nicht nach Afghanistan abschieben lassen will, weil die deutschen Beamten in der Botschaft nach dem verheerenden Anschlag die Fälle nicht bearbeiten könnten. Nicht wegen der Sicherheitslage in dem Bürgerkriegsland. Aus dem Bayerischen Sozialministerium, das den Eindruck vermittelt, es habe von der Gesetzeslage bei den Arbeitserlaubnissen keine Kenntnis. Von einem fränkischen Finanzminister, dem der Begriff Leistungskürzungen leicht über die Lippen kommt, den der Integration aber konsequent ausblendet.

Die Kommunalpolitiker und vor allem die Ehrenamtlichen indes handeln - wie der Aschheimer Gemeinderat, der in dieser Woche neue Wohnungen auf den Weg gebracht hat. All das passiert schon seit dem Herbst 2015; jetzt aber wird tatsächlich deutlich, welcher Aufwand dahinter steckt - und welche Erfolge sie dabei verbuchen. Und die Helfer kämpfen. Um die Menschen, die ihnen ans Herz gewachsen sind, die sie in Schule und Ausbildung gebracht haben. Die sie dort halten und vor der Abschiebung bewahren wollen. Von Stimmungen lassen sich diese Menschen nicht leiten - und prägen damit die Atmosphäre in diesem Landkreis.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: