Kreis und quer:Der Wutbürger im Anwohner

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Ob Wertstoffsammelstelle, Skaterpark oder Kindertagesstätte - der Bürger von heute stört sich an vielem

Von Sabine Wejsada

Ein Flüchtlingsheim bei uns ums Eck? Auf keinen Fall, das entwertet unsere Siedlung!

Eine Kita in Hörweite? Ja, bloß nicht, die Schreimäuler sind viel zu laut!

Eine Skaterbahn ganz am Ende der Straße? Nullinger, allein der Gedanke an den Krach verursacht Kopfweh!

Gesunde alte Bäume erhalten? Weg damit, die machen nur Dreck mit all ihrem Laub!

Ein neues Wirtshaus? Im Leben nicht, der Parksuchverkehr, die lauten Raucher und das stinkende Frittierfett verderben einem doch die Laune!

Eine Wertstoffanlage im Viertel? Ja, hör' mir auf, maximal, wenn sie einen Tag in der Woche für eine Stunde geöffnet ist!

Ein Bolzplatz zum Fußballspielen für die Kinder? Nix gibt's, der mögliche Torjubel raubt einem ja jetzt schon jede Konzentration!

Eine Eislauffläche mit Musik am Bürgerhaus? So ein Schmarrn, wir wollen unsere Ruhe in der staden Zeit!

Eine neue Buslinie durch unsere Straße? Braucht kein Mensch, der Lärm beim Halten und Anfahren des Ungetüms ist viel zu nervig!

Die Frösche im Teich des Nachbarn? Haben mit ihrem Quaken in der Reihenhaussiedlung nichts zu suchen!

Die Kirchenglocken? Nerven mit ihrem viertelstündlichem Gebimmel!

Einen Südring? Nicht einmal im Traum, langt schon, wenn die Menschen im Norden nicht schlafen können!

Eine einzige Übertreibung, diese Liste? Wohl kaum! Alles schon da gewesen neulich im Landkreis München.

Sankt Florian ist ein braver Mann und der Schutzheilige, den offenbar ein jeder haben will. Mit seiner Anrufung verbindet sich die Hoffnung, etwas Unangenehmes von sich selbst wegzuschieben, am besten ganz, ganz weit weg. Das macht ihn auch im Landkreis München zum herzallerliebsten Mitbewohner der allermeisten Menschen, besser gesagt: der Anwohner - wahlweise von Flüchtlingsunterkünften, Kindertagesstätten, Sportplätzen, Skateranlagen, Wertstoffsammelstellen und ähnlichem.

Sie sind es, die ganz besondere Beachtung verdienen in Tagen wie diesen, wo überall in den Kommunen Bürgerversammlungen stattfinden und eben jene gern lauthals das Wort ergreifen und sich beschweren - über dies und jenes und das auch noch. Früher war es üblich, die Hilfe des Heiligen Florian anzurufen, der als Schutzpatron für die Abwendung von Feuer und Dürre zuständig ist. Heute heißt es: Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' and're an. Oder ins Neudeutsche übersetzt: Bloß nicht bei uns, wir sind dagegen!

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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