Kreis und quer:Der Schatz im Silbersee

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Der Landkreis ist ein schier unerschöpfliches Reservoir an jungen Talenten - und Klassik sicher keine Frage des Alters

Von Udo Watter

Wenn ein klassischer Musiker von der Bühne aus seinen Blick übers Auditorium schweifen lässt, tauchen die Augen gewöhnlich in ein Meer von ergrauten Schläfen und weißen Haaren - oder anders gesagt: in den "Silbersee", wie eine leicht maliziöse Metapher für das betagte Klassik-Publikum lautet. Ähnlich vielen anderen Klischees basiert auch dieses auf einem realen Hintergrund: Junge Zuhörer sind oft mehr oder weniger eine Quantité négligeable, wenn Bach, Beethoven oder Bartók live erklingen. Auch die Kulturtempel des Landkreises sind normal keine Magneten für junge Klassikliebhaber mit vollen Mähnen, wildem Haupthaar oder zartem Bartflaum. Die hochkarätigen Konzerte in Grünwald, Pullach, Haar, Ismaning oder Unterschleißheim sind zwar oft gut besucht, aber eher Ü-50-Veranstaltungen mit hoher Silberlockendichte.

Auf der anderen Seite ist das Reservoir an klassischen Nachwuchsvirtuosen im Raum München scheinbar unerschöpflich. Derzeit werden wieder die Regionalwettbewerbe für "Jugend musiziert" abgehalten, die Talente aus dem Norden waren schon dran, die aus dem Süden zeigen ihr Können dieses Wochenende in Grünwald. In jedem Jahrzehnt seit der ersten Austragung 1964 sind die Teilnehmerzahlen gestiegen. Die Region rund um München bringt nicht nur viele gute, sondern immer wieder herausragende Musiker hervor: Der in Unterhaching aufgewachsene Jörg Widmann, 43, ist ein exzellenter Klarinettist, aber auch ein gefeierter Komponist - zuletzt hat er zur Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie ein Werk geschrieben. Seine jüngere Schwester Carolin Widmann ist ebenso eine Ausnahmegeigerin. Die Ayinger Pianistin Sophie Pacini, 25, hat 2015 den Echo-Klassik gewonnen.

Solche Einzelkünstler können inspirieren, aber im Landkreis gibt es auch diverse Ensembles, die Freude am gemeinsamen Musizieren befeuern, nicht immer professionell, aber ambitioniert: etwa das Ensemble Haar oder das Garchinger Sinfonieorchester, in dem Studenten mit ältere Laien spielen. Im Kleinen Theater Haar traten vor kurzem die Munich Classical Players unter Leitung des Vaterstettener Dirigenten Maximilian Leinekugel auf, die dezidiert junge Familien ins Konzert locken wollen. Beim Abschlusskonzert des hochkarätigen Trompetenfestivals, das die Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn im Januar organisierte, waren nicht nur viele Spieler jung, sondern mehrheitlich auch das Publikum in der mit etwa 650 Besuchern voll besetzen Halle. So schön das ist, wenn die Stimmung weniger gediegen ist und wenn die Jugend sich auch weiter für allerlei Musik begeistert - warum wird überhaupt so gerne gejammert über eine überalterte Zuhörerschaft? Schließlich gibt es nirgendwo auf der Welt so ein kompetentes Klassikpublikum wie in Deutschland. Insofern ist der "Silbersee" ein Schatz.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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