Kreis und quer:Der Münchner in uns

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Wer in Unterschleißheim, Haar, Unterhaching oder Neubiberg wohnt und im Urlaub gefragt wird, wo er herkommt, sagt meist: Munich. Klingt einfach besser. Das finden auch viele Firmen

Kolumne von Iris Hilberth

Wer in Unterschleißheim, Haar, Unterhaching oder Neubiberg wohnt und im Urlaub gefragt wird, wo er herkommt, sagt meist: Munich. Oder auch: Monaco di Baviera. Häufig beginnen dann die Augen des Rezeptionisten, des Busfahrers oder des Touristenführers zu leuchten und er schwärmt vom Oktoberfest, vom Hofbräuhaus und davon, dass die Stadt so sauber sei. Um dann noch hinzuzufügen, dass er und seine Kumpels seit dem jüngsten Münchenbesuch auch eine Lederhose besitzen. Man lächelt dann verlegen, ist aber froh, auf seiner Sympathieskala einen großen Sprung nach oben gemacht zu haben. Mit Grasbrunn oder Sauerlach hätte das nicht geklappt.

So verheimlichen auch manche Firmen gerne mal ein bisschen, dass sie eigentlich draußen vor der Stadt in einem Kaff sitzen. Und das gilt nicht nur für Wirecard, das sich lange als Münchner Unternehmen vermarktet hat und erst jetzt in der Pleite, in der sich auch noch alles als eine große Lüge herausstellt, den Namen Aschheim in die Welt hinaus trägt.

Attraktiv ist der Landkreis München als Standort schon lange. Die Gewerbesteuerhebesätze sind niedriger als in der Stadt und die Gemeinden lechzen nach Firmen, die sich bei ihnen ansiedeln. Das Praktische für die Unternehmen dabei: Man hat trotzdem die Münchner 089-Vorwahl und ein "M" auf dem Autokennzeichen. Kann sich also ganz münchnerisch geben in der großen weiten Welt, wo die wenigsten Träger wasserdichter Kleidung Putzbrunn kennen oder Hohenbrunn im Sinn haben, wenn sie bayerische Eiernudeln abgießen. Sehr zum Leidwesen mancher Rathauschefs, die gerne zum Polieren des Images und Streicheln des Selbstwertgefühls nicht nur dann etwas vom Bekanntheitsgrad abbekommen würden, wenn die Firmen mit einer Insolvenz in die Schlagzeilen geraten.

Taufkirchens Bürgermeister etwa hat hartnäckig dafür gekämpft, dass Airbus auf seinen Visitenkarten Taufkirchen/Ottobrunn statt München druckt. Manchmal finden Firmen auf dem Land auch einen Kompromiss in dem Zusatz "bei München". Man residiert sozusagen in einem Vorort. Dabei würde sich ein echter Oberhachinger oder Kirchheimer niemals - außer vielleicht im Urlaub - als Münchner bezeichnen.

Der Übergang von Stadt nach Land ist im Ballungsraum fließend. Wer weiß schon, wo genau die Grenze verläuft im Siedlungsbrei? Teilweise sogar mitten durch die Häuser. Wie etwa im Pflegeheim "Kursana Domizil Pullach" an der Wolfratshauser Straße, wo sich die Bewohner bei Stadt und Gemeinde ummelden müssen, wenn sie in den anderen Flügel des Gebäudes umziehen. Dabei hat Pullach gar kein Imageproblem wie vielleicht Taufkirchen. Noch weniger hat es das benachbarte Grünwald. Hier mieten Firmen sogar Briefkästen auch deshalb an, um eine schicke Grünwalder Adresse auf dem Briefkopf zu präsentieren. Allerdings glauben viele auch, Grünwald sei ein Münchner Stadtteil.

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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