Kreis und quer:Demo statt Wandertag

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Es ist gut, dass die Jugend auch im Landkreis auf die Barrikaden geht - und es ist ihr Privileg

Kolumne von Sabine Wejsada

Die Jugend von heute kann einem ganz schön leid tun. Jahrelang haben Scharen von Erwachsenen darüber gejammert und geklagt, dass die jungen Leute nur eins im Sinn haben: Spaß und Selbstoptimierung. Ganze Eltern-Generationen haben sich an der angeblichen Null-Bock-Haltung ihrer Teenager abgearbeitet und sie dafür kritisiert. Und jetzt, da Tausende Schüler jeden Freitag fürs Klima demonstrieren, ist es auch wieder nicht recht. Die meisten Politiker jenseits von SPD und Grünen rümpfen die Nase und schwingen sich auf, die jungen Leute zu belehren und bestrafen zu wollen. So hat Bayerns Kultusminister Michael Piazolo von den Freien Wählern seine Schulleiter angewiesen, das der Teilnahme an den "Fridays for Future"-Protesten geschuldete Fernbleiben vom Unterricht mit Verweisen zu ahnden. Und Eltern drohen Bußgeldzahlungen, wenn sie ihre engagierten Töchter und Söhne zur Demo gehen lassen, weil sie es für richtig halten, wenn die Heranwachsenden aufbegehren und sich zusammen mit namhaften Wissenschaftlern dafür einsetzen, den Klimawandel zu stoppen.

Wie es gelingen kann, dass Schulen trotz des Befehls von ganz oben Kinder und Teenager ernstnehmen und ihren eigenen Klima-Gipfel abhalten können, hat das Carl-Orff-Gymnasium in Unterschleißheim gezeigt: Dort versammelten sich vorige Woche nach der vierten Schulstunde die Gymnasiasten auf dem Pausenhof und diskutierten mit Bürgermeister Christoph Böck (SPD), Schulleiter Andreas Hautmann und Mitgliedern der Schülermitverantwortung über den drohenden Kollaps des Klimas. So weit sind die meisten anderen Schulen noch nicht. Die verlegten den Wandertag ausgerechnet auf den weltweiten Protesttag. So mussten ganze Klassen den Tag zum Beispiel im Museum verbringen.

Dabei treibt die Trägheit der Politik mittlerweile überall unzählige Menschen um - übrigens nicht nur junge. Das hat die enorme Beteiligung am globalen Klima-Streik bewiesen. Gleichzeitig werden vor allem die jugendlichen Aktivisten ausgeschimpft für ihre Form des Protestes, erinnert sei nur an das übertriebene Bashing von Greta Thunberg durch Donald Trump, Friedrich Merz und Co., nachdem die Galionsfigur der Freitagsdemos eine wütende Rede beim Klima-Gipfel in New York gehalten hatte. Doch ist es nicht gerade das Privileg der Jugend, laut, wild und emotional zu sein und auf das Politikersprech zu pfeifen?

Die Welt steht am Abgrund. Gut, dass sich Kinder und Jugendliche im Landkreis München politisieren und auf die Straße gehen. Im Kleinen wirkt ihr Protest vielleicht schon: Kaum eine Kommune kommt derzeit an dem Thema vorbei, wie etwa die Ausrufung des Klima-Notstands in Haar oder die Klima-Offensive in Unterföhring zeigen. Wer, wenn nicht die Jungen, sollen den Politikern Beine machen und allen anderen Erwachsenen auch? Wenn es sein muss, bitteschön jeden Freitag.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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