Kreis und quer:Das Runde weicht dem Eckigen

Lesezeit: 2 min

Der lange gepriesene Kreisverkehr wird zum Auslaufmodell. Dabei könnten bald die Radler in die Kurve gehen - bis ihnen schlecht wird

Kolumne von Wolfgang Krause

Die bayerische Polizei ist nicht gerade dafür bekannt, dass sie ein besonderes Gespür für Trends hat. 40 Jahre lang mussten ihre Beamten die alten Uniformen aus den Siebzigerjahren auftragen, und als sie endlich neue bekamen, waren diese auch nicht gerade der letzte Schrei. Insofern passt es ins Bild, dass das Polizeipräsidium München ausgerechnet jetzt eine "Renaissance der Kreisverkehre in Deutschland" erkannt hat.

Gerade in den letzten Jahren seien in vielen Gemeinden neue Kreisel entstanden, heißt es auf der Homepage des Polizeipräsidiums. Allein 36 gibt es demnach inzwischen auf den Bundes-, Staats-, Kreis- und Gemeindestraßen in seinem Einzugsbereich. Die meisten, nämlich sechs, findet man in der Gemeinde Taufkirchen, wo auch die beiden ersten gebaut worden sind. "Die Tendenz ist weiterhin steigend", schreibt die Münchner Polizei - und da ist sie leider nicht auf dem neuesten Stand.

Denn tatsächlich erlebt gerade die gute alte Ampel eine ungeahnte Renaissance. In Kirchheim jedenfalls wird demnächst ein markanter Kreisverkehr wieder abgebaut. Aus dem sogenannten Kirchheimer Oval auf der Staatsstraße 2082 soll eine schnöde Kreuzung und die Vorfahrt durch eine Lichtzeichenanlage geregelt werden. Die Gemeinde erhofft sich davon, dass der Verkehr besser und schneller abfließt - also just das, was man sich einst von den Kreiseln erwartet hat.

Wenn das Kirchheimer Beispiel Schule macht, verlieren nicht nur viele Künstler ihren Broterwerb. Weil das Rund in der Mitte gefüllt werden will, ist mit der Kunst im Kreisverkehr seit den Neunzigerjahren ein ganz eigenes Genre entstanden, das nun zu verschwinden droht. Und es stellt sich die Frage, wo all die überdimensionierten Gießkannen, Spiralen, Pferde und rostigen Figuren entsorgt werden, die die Autofahrer seit zwanzig Jahren typischerweise an den Ortsrändern begrüßen.

Wir müssen in Zukunft auch auf viele kuriose Meldungen verzichten. Im März berichtete die Polizei im Landkreis Donau-Ries zum Beispiel von einer Autofahrerin, die aus einem Kreisverkehr nicht mehr herausfand, weil sie während der Fahrt ihr heruntergefallenes Handy suchte. Als sie endlich anhielt, hatte sie einen bösen Drehwurm. Die Mitteilung der Polizei gipfelte damals in dem schönen Satz: "Die Dame erbrach sich aufgrund zahlloser zuvor gedrehter Runden heftig."

Aber selbst wenn er auf den Straßen verschwinden sollte - ganz ausgedient hat der Kreisverkehr möglicherweise noch nicht. Landrat Christoph Göbel hat erst diese Woche vorgeschlagen, dass man den Verkehr auf den geplanten Fahrradtangenten im Münchner Norden und Süden mit Kreiseln regeln könnte, um Unfälle zu vermeiden. Was soll man dazu sagen? Schlecht ist die Idee nicht - aber schlecht könnte es dem einen oder anderen Radler schon werden.

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: