Kreis und quer:Bonuszahlung im Dax-Wunderland

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Ein klein wenig mehr verdienen die Angestellten des Landkreises künftig. Das ist ein gutes Zeichen - und für das Landratsamt ein Mittel zum Selbstschutz

Von Martin Mühlfenzl

Frei sein. Mutters Rockzipfel loslassen - und endlich den einer schönen Münchnerin ergreifen. Schließlich beginnt ein neues Leben. Ganz auf eigenen Füßen stehend, mit einem Job, also einer Ausbildung - und vielleicht sogar einer eigenen Wohnung. So an der Reichenbachbrücke wär ganz cool, ist ja auch ein Viertel, in dem sich was rührt. Und weit in die Arbeit ins Landratsamt am Mariahilfplatz ist es auch nicht. Kurz mal die Angebote checken, kann ja nicht so schwer sei. Also: Zwei Zimmer, 43 Quadratmeter, Altbau von 1902. Klingt gut. Erdgeschoss? Bestens. Eine Terrasse mit etwas Grün drum herum? Top. Und der Preis? 790 Euro kalt plus 160 Euro Nebenkosten. Da fällt der Azubi schneller, als ihm lieb ist, wieder auf Mamas Schoß.

Es wird ja jede Woche über den Miet-Wahnsinn in München, im Landkreis München, ja eigentlich in der gesamten Metropolregion geschrieben. Denn auch in Ottobrunn gibt es das Ein-Zimmer-Appartement mit 20 Quadratmeter für 550 Euro warm - oder die "top gepflegte" Mansarde mit 2 Räumen (70 Quadratmeter) für satte 1400 Euro in Unterschleißheim. Der Wahnsinn ist ja längst zur Normalität geworden. Da leidet freilich nicht nur der Auszubildende im Landratsamt, der in seinem ersten Ausbildungsjahr gerade einmal 833 Euro bekommt. Verzeihung: Künftig sind es 908 Euro.

Es ist ein recht sperriger Begriff, den der Landkreis ausgewählt hat, um seinen Mitarbeitern das Leben ein klein wenig zu erleichtern: Arbeitsmarktzulage. Zwischen 75 und 200 Euro bekommt ein Großteil der weit mehr als 800 Beschäftigten von kommendem Jahr an auf das Gehalt draufgelegt. In der Boomregion München ist das nur ein Tropfen auf den vollkommen überhitzten Stein, der sich Wohnungsmarkt schimpft. Der Bonus für die Bediensteten im Landratsamt ist aber ein Zeichen der Anerkennung - und für die Verwaltung Mittel zum Selbstschutz. So soll vor allem jüngeren Arbeitssuchenden signalisiert werden, dass am Mariahilfplatz ein angenehmes Arbeitsklima herrscht - eine Atmosphäre, die kleinere Abstriche beim Gehalt erleichtert. Denn selbst mit der überfälligen Arbeitsmarktzulage wird der Landkreis - wenn es etwa darum geht, Ingenieure oder IT-Experten zu gewinnen - nicht mit der freien Wirtschaft im Dax-Wunderland Oberbayern konkurrieren können.

Und vielleicht ist es ja bei einem Auszubildenden doch eher so, dass er lieber die Zusatzzahlung von 75 Euro im Monat annimmt, als so schnell wie möglich dem heimischen Küchentisch zu entfliehen. Der Job im Landratsamt ist - gerade dieser Tage - anstrengend; aber die Perspektiven in der Behörde sind gut. Mit viel Geduld wird sich dann auch der Azubi die eigene Wohnung leisten können; dann als Angestellter, der morgens immer noch gern zu Arbeit geht.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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