Kreis und quer:Bloß alle wegbleiben!

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Saugwürmer, brennende Müllhalden, derbe Anzüglichkeiten - es gibt genügend Gründe als Tourist, dem Landkreis fern zu bleiben. Unsereiner tut aber auch gut daran, etwa nicht nach Heidenau, Bautzen oder Freital zu fahren - ganz im Ernst

Von Lars Brunckhorst

Dem durchschnittlichen Landkreisbewohner ist Grasbrunn allenfalls bekannt wegen der Kfz-Zulassungsstelle im Ortsteil Neukeferloh. Kaum ein Mensch zwischen Unterschleißheim und Baierbrunn, der nicht schon mal mit seinem Auto dort war. Besser Informierte verbinden mit dem Ortsnamen noch die Firma Lego, die hier ihre Zentrale hat. Und ganz Kundige, vor allem jene, die regelmäßig mit der Lufthansa fliegen, schätzen Grasbrunn wegen des gleichnamigen Kartoffelsalats. Das war es dann aber auch.

Weniger bekannt dürfte dagegen die "atemberaubende Natur" sein, deretwegen ein Berliner seinen Urlaub in Grasbrunn verbringen wollte. Nun gut, Möschenfeld ist ganz hübsch und die Golfplätze bei Harthausen rauben herzschwachen Rentnern schon mal die Luft. Aber abgesehen davon sind die landschaftlichen Reize überschaubar. Für einen Preißn wie den besagten Berliner jedoch scheinen Maisfelder und Fichtenwälder zu genügen, um von einem Familienurlaub in "wilder Natur" zu träumen. Doch aus dem wird nun wohl leider nichts. Seit er von den Morddrohungen gegen den schwarzen Pfarrer aus dem nahen Zorneding hörte, die weltweit Schlagzeilen machten, hat der Hauptstädter Angst vor einem Urlaub in Grasbrunn.

Das ließ er jedenfalls diese Woche die Gemeinde wissen, die er per E-Mail fragte: "Soll ich meinen Urlaub noch antreten? Kann man sich als Tourist in Grasbrunn noch sicher fühlen?" Ernste Sorgen oder doch eher ein Scherz? Wie auch immer: Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) war umgehend bemüht, alle Sorgen zu zerstreuen. Die Drohungen gingen von Einzelpersonen aus, im ganzen Landkreis herrsche eine große Solidarität mit dem aus dem Kongo stammenden Pfarrer, schrieb er zurück.

Ehrlicherweise müsste man dem guten Mann aus dem Nordosten der Republik aber gestehen, dass es jede Menge ernsthafte Gründe gibt, nicht im Landkreis zu urlauben. Und damit sind nicht die bekannten Münchner Unbilden wie Grantler, Dauerstaus und überteuerte Preise gemeint. Vielmehr lauert eine ganze Armada von Gefahren auf ahnungslose Touris: Im Feringasee tummeln sich fast jeden Sommer Saugwürmer, die sich unter die Haut von Badegästen fressen, um dort ihre Larven abzulegen, in Hochbrück brennen Müllhalden, in Grünwald werden Frauen derbe Anzüglichkeiten hinterher gerufen und in Taufkirchen wird jeder von jenseits des Weißwurstäquators weggemobbt: Bürgermeister aus Hamburg, Beamtinnen aus Franken.

Es gibt also genug Gründe, fernen Bekannten und Verwandten aus anderen Teilen der Republik zuzurufen: Bleibt bloß weg! Umgekehrt hätte unsereiner aber auch gute Gründe, nicht nach Bautzen, Clausnitz, Heidenau oder Freital zu fahren. Und das ist kein Scherz, sondern ganz ernst gemeint.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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