Kostenexplosion bei Autobahnausfahrt:Sag mir, wo die Millionen sind

Lesezeit: 3 min

  • Plötzlich ist die Anschlussstelle Aschheim/Ismaning gute 19 Millionen Euro teurer als gedacht: Die Kostenexplosion sorgt im Münchner Kreistag für Ärger.
  • Die Kosten für die Verlegung und den Neubau der Anschlussstelle an der A 99 stiegen von 25,4 Millionen Euro auf 44,5 Millionen Euro.
  • Beim Bau räumt nun die Autobahndirektion Südbayern Fehler ein. Sie kritisiert aber auch, dass Gemeinden und Landkreis Druck ausgeübt hätten.

Von Martin Mühlfenzl, Aschheim/Ismaning

Es sind jene Begriffe, die immer fallen, wenn der Verdacht der Verschwendung im Raum steht. Geht es um Steuergeld, reagiert der Deutsche empfindlich. "Es ist ein Skandal, wie hier mit Steuergeldern umgegangen wird", sagt Christoph Nadler, Fraktionschef der Grünen im Kreistag. "Wir werden nicht zahlen, wenn hier Sachen gebaut wurden, von denen wir nichts wussten", echauffiert sich der CSU-Landtagsabgeordnete und Kreisrat Ernst Weidenbusch.

Und tatsächlich ist der Argwohn der beiden Kreispolitiker nachvollziehbar; zielt ihre Kritik doch auf ein Projekt, das den Landkreis - und natürlich auch den Bund - teuer zu stehen kommt. Mit Schreiben vom 17. März informierte die Autobahndirektion Südbayern Landrat Christoph Göbel (CSU) darüber, dass die Kosten für die Verlegung und den Neubau der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning an der A 99 von zunächst veranschlagten 25,4 Millionen Euro auf 44,5 Millionen Euro explodieren. Für den Landkreis München bedeutet dies eine Steigerung der Baukosten von 3,9 Millionen Euro auf etwa 6,9 Millionen Euro.

Landrat Göbel informierte den Kreistag in seiner März-Sitzung über die Veränderung - versteckt unter dem Tagesordnungspunkt Verschiedenes. Doch das Schreiben wird ein politisches Nachspiel haben - womöglich gar ein juristisches. Die Grünen im Kreistag haben in einem Antrag formuliert, der Landkreis möge aus der Finanzierung der Verlegung der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning aussteigen.

Wie der Kreistag reagierte

Die von der Autobahndirektion vorgelegte Kostensteigerung sei weder "nachvollziehbar" noch "akzeptabel". "Wir streiten im Kreistag in den Haushaltsberatungen um jede Stelle, um ein paar zehntausend Euro", sagt Fraktionschef Nadler. "Und dann kommt hier ein Schlag von drei Millionen Euro, den wir einfach so hinnehmen sollen. Das geht nicht." Diese Summe entspreche in etwa einer Erhöhung der Kreisumlage um einen halben Prozentpunkt; und das, wo doch die Umlage erst im Januar mit den Stimmen von CSU und Grünen um 0,75 Prozentpunkte auf 42 Prozent gesenkt worden ist. Beim Thema Geld reagieren die Kreispolitiker sensibel.

SZ-Grafik. (Foto: N/A)

Doch auch in der Autobahndirektion Süd ist die Stimmung angesichts der Kostenexplosion mau. "Ich kann die Reaktionen nachvollziehen", sagt Pressesprecher Josef Seebacher. "Aber Sie können sich sicher sein, auch wir sind nicht glücklich. Denn letztlich hat der Bund die Hauptlast und auch die Kostensteigerung zu tragen."

Doch warum wurde die Kostennovellierung erst jetzt, ein Dreivierteljahr vor der Fertigstellung der gigantischen Anschlussstelle, öffentlich? Seebacher sagt, die Gemeinden Ismaning und Aschheim sowie der Kreis seien über alle Veränderungen auf dem Laufenden gehalten worden. Aber: "Wir haben intern intensiv diskutiert, warum es so gekommen ist. Wir sagen klar: Ein Ruhmesblatt ist diese Baustelle nicht." Schon seit 2008 und mit dem konkreten Einstieg in die Finanzierung sei klar gewesen, dass der Neubau teurer kommen würde als zunächst angenommen. Die massive Verteuerung - sprich: nahezu eine Verdoppelung - hatte aber auch die Autobahndirektion nicht auf dem Schirm.

Warum die Kosten steigen

Doch aus Sicht von Pressesprecher Seebacher hat sie ausschließlich nachvollziehbare Gründe: Eine Steigerung der Inflation um 15 Prozent seit dem ersten Kostenentwurf. Die späte Erkenntnis, Brücken nicht sanieren zu können, sondern neu bauen zu müssen. Die massiv gestiegenen Kosten für Grundstücke. Enorme Kosten für die Aufrechterhaltung des fließenden Verkehrs auf der A 99 während der Bauarbeiten durch moderne Verkehrsleitsysteme. "Damit hatten wir Erfolg. Es gab in den vergangenen drei Jahren keinen Megastau auf der Autobahn", sagt Seebacher. "An einer der sensibelsten Stellen europaweit."

In einem Punkt besteht zwischen Kreispolitikern und Autobahndirektion Einigkeit: Das Verfahren, die Planungen und die Bauarbeiten selbst müssten aufgearbeitet werden. Weidenbusch verlangt einen Auftritt von Paul Lichtenwald, dem Präsidenten der Autobahndirektion Südbayern, vor dem Kreistag: "Er wird Fragen beantworten müssen. Und wir haben viele." Es dränge sich der Eindruck auf, dass in der Behörde nicht richtig gerechnet worden ist. Nadler bekräftigt seine Forderung nach einem Ausstieg aus der Finanzierung: "Es kann nicht sein, dass wir als Landkreis auf Gedeih und Verderb mit drinhängen."

Behörde weist Kritik zurück

Seebacher sieht seine Behörde in der Pflicht, will aber den Vorwurf der Schlamperei oder gar wissentlichen Verschleierung nicht auf den Mitarbeitern der Autobahndirektion sitzen lassen: "Es ist einfach, so laut zu schreien. Nachher ist man immer schlauer. Aber hier wurde sauber gearbeitet." Unter großem Druck. Denn: "Es waren die Gemeinden und der Landkreis, die Druck ausgeübt haben. Es sollte sehr schnell gehen, das hinterlässt Spuren. Auch, weil wir vor der Bauma im Frühjahr 2016 fertig sein müssen."

Denn das Großereignis werde wieder zur Belastungsprobe für die A 99. Sein Amt werde auch lernen müssen, sagt Seebacher: "Es kann sein, dass wir noch mehr Prüfschritte einbauen müssen. Dann ist aber auch klar, dass Projekte länger dauern und dass sie eventuell auch mehr Geld kosten."

Bleibt ein Vorwurf aus dem Kreistag: Mitglieder, die nicht namentlich genannt werden möchten, werfen dem Amt vor, die Brücke der Kreisstraße M 3 über die Autobahn solle entgegen der Planungen vierspurig statt zweispurig ausgebaut werden; und die Kosten würden dadurch massiv ansteigen. "Es geschieht nichts durch die Hintertür", sagt Seebacher. "Es bleibt bei zwei Spuren und einer Einfädelspur auf der Brücke. Alles läuft transparent ab." Doch genau daran zweifeln zahlreiche Mitglieder des Kreistags und wittern einen Skandal.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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