Konzert in Unterschleißheim:Zum Niederblasen

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Die Helikontuba Martin von Mückes (im Vordergrund) übernimmt im rollenden Rhythmus von "Kofelgschroa" den profunden Part. (Foto: Claus Schunk)

Die Band Kofelgschroa überwältigt die Besucher im Gleis 1 mit valentinesken Texten und wunderbaren Hörerlebnissen

Von Udo Watter, Unterschleißheim

Aus dem künstlichen Nebel, der über der dunkelblau illuminierten Bühne aufsteigt, entwickelt der drängende Groove einen techno-artigen Sog. Die profund hallende Helikontuba unterlegt die rasante Rhythmik von Akkordeon, Gitarre und Horn mit einem Klangbett, das bei aller Wucht auch eine bauchige Geborgenheit entfaltet, quasi aus dem Geiste der Stubnmusi. Man gönnt sich die Vorstellung, wie Martin von Mücke, der Tubist der Band "Kofelgschroa", ganz allein die Mauern von Jericho niederbläst oder der frühere US-Präsident Ronald Reagan von ihm im Berlin der Achtzigerjahre fordert: "Blow down this wall, Mister Mücke."

Freilich, obwohl die vier Jungs von "Kofelgschroa" einen ganz eigenen, packenden Klangcharakter entwickelt haben, sind die Oberammergauer weit davon entfernt, den Hörer mit breiig-explosiver Soundwucht zu überwältigen. Maxi Pongratz (Akkordeon), Michael von Mücke (Flügelhorn, Gitarre), Matthias Meichelböck (Tenorhorn) und Martin von Mücke changieren irgendwie zwischen Folk, Punk, Zydeco und Stubnmusi, schöpfen mit ihrer Vorliebe für Wechseltakte aus der Volksmusik, und die Vier umweht selbst im virtuosen Volleinsatz eine sensible Zurückhaltung. Am Wochenende spielten die Oberammergauer, die mittlerweile zu allseits bewunderten Protagonisten der Neuen Volksmusik avanciert sind, im Unterschleißheimer Jugendkulturhaus Gleis 1.

Das Publikum dort bekam vornehmlich Stücke aus ihrem 2014 erschienenen Album "Zaun" zu hören. Die in Mundart verfassten Texte atmen in Liedern wie "Bladl" oder "Blume" ("Ich habe eine Blume gepflegt und gegossen und irgendwann hab ich mit der Pflege abgebrochen - bin verreist") eine poetische Unkonventionalität, bei der oft feiner Schalk durchblitzt. ("Und als ich zurück gekommen, du dalagst ohne Reaktion. Ob's mit am Kibl Wasser ganga war?"). Die Texte von "Kofelgschroa" werden ja gerne und nicht zu Unrecht als valentinesk bezeichnet ("S' Gschirr ja des stapelt sie, vielleicht spült sie's ohne mi? Fang staad zum grooven o, vielleicht kimmt a Mainzelmo?") und ihren Gedanken über Zeit, Freundschaft und Müdigkeit ist eine jugendliche Weisheit zu eigen, die zwischen Schwermut und Leichtigkeit schwebt ("Ich fahre, wie das Auge reicht so weit, mein Zeitvertreib ist Geschwindigkeit"). Vor allem aber ist es die kongeniale Umsetzung der Worte in den "Kofel"-Sound, welcher der Band ein Alleinstellungsmerkmal verschafft. Nicht dass sie an ihren Instrumenten die vollendeten Virtuosen wären oder Maxi Pongratz' Stimme intonatorisch makellos daher käme, aber als raffinierte Klangingenieure sind sie quasi im gesamtsinnlichen Sinne überzeugend. Lust am Dadaistischen, ironischer Brechung, Zungenfertigkeit und der selbstironischen Auseinandersetzung mit dem gern gepflegten Ruf der eigenen Kauzigkeit zeitigen auch im Gleis 1 immer wieder wunderbare Hörerlebnisse. Da besteht der Text eines wild groovenden Stücks aus Oberammergauer "Hausnamen" (Ochsadampf, Kegala, Hammala") und auch der Tribut an den Heimatort von der ersten CD "Kofelgschroa" ist packend: ("Heid kimmt da Hans zu mir, freut sich die Lies, obaabaüberOberammergauodaobaabaüberUnterammergau").

Die Lust am musikalischen Erzählen und Nuancieren ist prägnant, schön immer wieder der Übergang vom Solo- zum Zwei-/Dreigesang - das ist mit Liebe zum Detail ausgetüftelt. Hin und wieder gönnen sich die jungen Männer vom Oberammergauer Hausberg Kofel auch einen (ironischen) Hauch von Rampensau, Michael von Mücke macht etwa kurz einen auf Gitarrengott. Dass die vier sich auf der Bühne generell aber wirklich sauwohl fühlen, wird auch im Gleis 1 deutlich. Sie lassen sich vom Publikum nicht lange bitten und legen noch etliche Zugaben drauf, darunter das ruhigere "Wäsche" und "Eintagesseminar". So klingt der Abend nicht mehr ganz so wuchtig groovend aus, aber emotional bläst es einen trotzdem noch mal um.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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