Konzert in Ottobrunn:Der Muezzin mahnt zum Frieden

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Norbert Kroh studiert mit den beiden Chören Jenkins' zeitgenössische Friedensmesse ein. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Ars Musica Chor führt mit Unterstützung der Chorgemeinschaft St. Pius aus Pöcking in Ottobrunn Karl Jenkins' zeitgenössische Komposition "The Armed Man: A Mass for Peace" auf

Von Franziska Gerlach

Am liebsten, sagt Norbert Groh, der künstlerische Leiter des Ars Musica Chors Ottobrunn, hätte er den Part des Muezzins mit einer Frau besetzt. Um ein noch deutlicheres Zeichen zu setzen gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt als es der unabhängige Konzertchor ohnehin schon tut, wenn er am Freitag, 15. November, im Wolf-Ferrari-Haus eine zeitgenössische Friedensmesse singen wird.

Kein Brahms, kein Beethoven, kein Mozart. In diesem Jahr hat sich der Ottobrunner Chor mit Unterstützung der Chorgemeinschaft St. Pius aus Pöcking sowie deren Jugendchor dem Friedensepos "The Armed Man: A Mass for Peace" von Karl Jenkins angenommen, das die Ottobrunner noch um Stücke von Heinrich Schütz ("Verleih uns Frieden") und Claudio Monteverdi ("Cantate Dominum") ergänzen. Der Waliser Jenkins komponierte das aus dreizehn Sätzen bestehende Werk im Gedenken an die Opfer des Kosovokrieges. Dieser brach im Februar 1998 aus, nachdem bei einer Vergeltungsaktion serbischer Polizisten in einem kosovarischen Dorf zehn Menschen ums Leben kamen.

Jenkins' Antikriegsstück kombiniert Elemente der lateinischen Messliturgie wie das "Agnus Dei" oder das "Sanctus" mit Textpassagen unterschiedlicher Kulturen und Religionen, mit Bibelpsalmen und Augenzeugenberichten zum Beispiel, und zeigt dabei auf, wie sich der Mensch Gott immer wieder vor den Karren gespannt hat, um seine Kriege zu rechtfertigen. Der damalige Direktor des britischen Militärmuseums, ein gewisser Guy Wilson, hatte den musikalischen Appell gegen den Krieg um die Jahrtausendwende in Auftrag gegeben - und gemeinsam mit Jenkins nicht nur die Quellen ausgewählt, sondern mit "Now the Guns Have Stopped" ("Nun, da die Waffen schweigen") auch einen eigenen Text beigesteuert. Der walisische Komponist wiederum hatte Mitte der Neunzigerjahre einige Bekanntheit erlangt, als er für den Werbespot einer US-amerikanischen Fluggesellschaft den keltisch anmutenden Ohrwurm "Adiemus" schrieb, eine frei erdachte Ansammlung von Silben und Wörtern ohne erkennbaren Sinn.

Das kann man von "The Armed Man: A Mass for Peace" freilich nicht behaupten. Die eigentliche Botschaft aber, die Botschaft für den Frieden, die erschließt sich dem Zuhörer bei den Proben des Ottobrunner Chors nicht auf Anhieb. Denn noch fehlen die Instrumente des Kammerorchesters Stringendo und des Airbus Orchesters München, die Heiterkeit der Piccoloflöten und die Wucht der Trommeln, die die knapp 100 Sängerinnen und Sänger etwa bei "L'homme armée" begleiten. Noch sind da nur die klaren Stimmen der Frauen und die weichen Tenöre der Männer. Erst singen sie nur leise, beinahe heroisch, dann künden sie immer eindringlicher von dem "bewaffneten Mann". Das mehr als 500 Jahre alte Soldatenlied aus Frankreich bildet den Auftakt der Messe - und, deutlich variiert, deren Ende.

Mit "Better is Peace" ist dieses letzte Stück überschrieben. Auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass der Frieden dem Krieg eindeutig vorzuziehen ist, erweist sich Jenkins Werk für den vierstimmigen Chor mit Solopartien als schonungsloser und zugleich mutiger Ritt durch die Geschichte. Jenkins hat die Aufbruchsstimmung, wie sie etwa den Ersten Weltkrieg kennzeichnete, genauso in Töne gesetzt wie das Gefühl tiefer Trauer. Besonders bedrückend sind die Worte eines japanischen Dichters, der im August 1945 erleben musste, wie die US-Amerikaner eine Atombombe über Hiroshima abwarfen. Mit irritierend poetischen Worten beschreibt Tōge Sankichi in "Angry Flames", wie die Stadt in Schutt und Asche zerfiel. Auch Textpassagen aus der Mahabharata vertonte Jenkins, dem altindischen Heldenepos, in dem die Götter auch nicht gerade zimperlich miteinander umgehen. Und dann ist da noch der Ruf des Muezzins ("Call to Prayers"), den Hussein Durmic übernehmen wird, der den Deutsch-Islamischen Kulturkreis Ottobrunn mitgegründet hat. Für Chorleiter Groh offenbar ein bedeutender Moment, auch wenn er dafür keine Frau gefunden hat. Man wolle den Ruf so zeigen, wie er gedacht ist. "Die Leute sollen nicht an Granaten denken, wenn sie ihn hören."

Karl Jenkins: "The Armed Man: A Mass for Peace", Aufführung des Ars Musica Chors am Freitag, 15. November, von 19.30 Uhr an im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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