Kommentar:Wutbürger im Gemeinderat

Es ist hochgradig gefährlich, wenn Lokalpolitiker vergessen, dass sie Verantwortung für ihren Ort tragen und damit eine Vorbildfunktion einnehmen. Sie dürfen sich nicht benehmen wie pöbelnde Pennäler

Von Martin Mühlfenzl

Wer mit Zorn aufsteht, setzt sich mit Schaden nieder", lautet ein Sprichwort, "Gewitter reinigen die Luft", ein anderes. Auf die Arbeit eines Stadt- oder Gemeinderates bezogen, bedeuten die Redensarten: Streit, intensive Debatten, auch emotional geführte Auseinandersetzungen sind bei Entscheidungsfindungsprozessen hilfreich, wichtig, stimulierend - nur Wut und Animosität dürfen dabei keine Rolle spielen. Ansonsten geht die Kontrolle verloren.

Nun gelten deutsche Kommunalpolitiker, und die im Landkreis München allemal, als sehr gewissenhafte Vertreter ihrer Zunft. Sie sind meist tief verwurzelt in ihren Gemeinden, sind angesehene Mitglieder in Vereinen und Initiativen. Und als solche sehr höfliche Zeitgenossen. Doch manche Entwicklungen der vergangenen Wochen geben Anlass, vorangestellte Beschreibung in der Vergangenheit zu formulieren. Von Pullach über Putzbrunn bis Haar und Unterföhring mehren sich die Berichte über Auseinandersetzungen in den kommunalen Gremien, die den Boden der hier geltenden Normen, Sitten und Umgangsformen längst verlassen haben. Gemeinderäte gehen persönlich aufeinander los, heftige Beleidigungen schwirren durch den Sitzungssaal, das Sie wird zum vergifteten Du. All das sind Erscheinungsformen, die viele Beobachter immer wider so beschreiben: "Das habe ich in der Form bei uns noch nie erlebt."

Es ist hochgradig gefährlich, wenn Gemeinderäte vergessen, dass sie Verantwortung für ihren Ort tragen und damit eine Vorbildfunktion einnehmen. Wenn sie sich von ihrer Wut leiten lassen - egal ob aus Ärger über einen Beschluss, die Rede eines Kollegen oder dessen vermeintliche Inkompetenz - schüren sie nur eines: den Zorn bei den Bürgern über gewählte Vertreter, die sich aufführen wie pöbelnde Pennäler und nicht beherrschen können.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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