Kommentar:Wo bleibt die Solidarität?

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Auch unter CSU-Bürgermeistern wächst der Ärger über Ministerpräsident Horst Seehofer in der Flüchtlingspolitik. Zu recht

Von Martin Mühlfenzl

Wenn ein CSU-Bürgermeister der Staatsregierung vorwirft, sie sei auf dem besten Wege, die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen "zu versemmeln", lässt das aufhorchen. Ottobrunns Rathauschef Thomas Loderer hat das so formuliert. Damit nicht genug: Er wirft dem Ministerpräsidenten und eigenen Parteifreund auch noch vor, sich vom Weg der Solidarität verabschiedet zu haben. Das sind harte Worte. Doch sie beschreiben genau das Gefühl, das ein Großteil der Kommunalpolitiker in sich trägt: Die CSU und die von ihr getragene Staatsregierung gefährden gerade den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Zwei Dinge aus den vergangenen Tage werden den Landräten, Bürgermeistern, Stadt- und Gemeinderäte heiße Monate bescheren: Einerseits der Kabinettsbeschluss, die Planungen und den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte sofort zu stoppen; andererseits die Feststellung Seehofers, mit der Beibehaltung der Grenzkontrollen sei "das Ende der Willkommenskultur notariell besiegelt". Während also Parteispitze und Kabinett weiter gegen Zuwanderung wettern, rhetorisch aufrüsten und gleichzeitig die Landkreise und Kommunen ihrer Handlungsfähigkeit berauben, müssen christsoziale Bürgermeister und Landräte den Menschen erklären, warum in ihren Vierteln und Straßen doch neue Häuser und Wohnungen für Flüchtlinge gebaut werden müssen. Und sie müssen die Ehrenamtlichen weiter darin bestärken, sich um Deutschkurse, Ausbildungsplätze und Trainingsstunden in Sportvereinen für die angekommenen Menschen zu bemühen - sie also in ihrer Willkommenskultur bestärken.

Die CSU-Granden haben die Solidarität einseitig aufgekündigt - aus populistischen Gründen. Ohne Solidarität aber wird sich ein Auseinanderdriften der Gesellschaft nicht verhindern lassen. Ein Segen, dass sich dies ein CSU-Bürgermeister auszusprechen traut. Und ein klares Indiz dafür, dass auch in schwarzen Rathäusern die Angst umgeht, dass es die eigene Partei dieses Mal so richtig versemmeln könnte.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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