Kommentar:Trügerische Glaskugel

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Die Flüchtlingszahlen sinken. Doch dies ist kein Grund, dass Kommunen ihre Anstregungen für eine Unterbringung von Schutzsuchenden einstellen

Von Martin Mühlfenzl

Hinter den Zahlen stecken Menschen. Das darf nie vergessen werden, bei aller Erleichterung. Ob nur 7500 Flüchtlinge bis Jahresende in den Landkreis kommen, wie neuerdings angenommen, oder doch 9000, wie ursprünglich erwartet - es handelt sich immer um viele tausend Einzelschicksale. Und niemand weiß, ob nicht doch - trotz der gesperrten Balkanroute - wieder mehr Menschen ankommen im Landkreis. Dann könnten beide Zahlen obsolet sein.

Flüchtlingspolitik darf nicht zur Glaskugelleserei werden. Sie muss trotz aller Unwägbarkeiten verlässlich bleiben. Und so ist es eine sehr positive Botschaft, dass die Kommunen des Landkreises und auch der Landrat nicht voller Überschwang auf die derzeit so niedrigen Flüchtlingszahlen reagieren. Sie hätten ihre Bemühungen bei der Unterbringung einstellen können. Wie der Landkreis Starnberg, der die Momentaufnahme genutzt und den Bau einer Thermohalle für Flüchtlinge von jetzt auf gleich gestoppt hat (in die er übrigens schon 1,2 Millionen Euro investiert hatte). Mit solchen Kurzschlusshandlungen aber wird den Bürgern nur suggeriert, die größten Herausforderungen seien vorbei. Nach dem Motto: Wenn keine Flüchtlinge mehr kommen, können wir ja die Hallen wieder abreißen.

Das Gegenteil aber ist der Fall. Die Zahlen werden wieder nach oben schnellen, zigtausende Flüchtlinge haben in der Region ihr Asylverfahren noch nicht durchlaufen, der Familiennachzug wird erst in ein paar Monaten beginnen. Jetzt stehen zu bleiben, Anstrengungen beim Wohnungsbau und bei der Suche nach Unterkünften einzustellen, könnte sich schon bald rächen. Die Kommunen im Landkreis München müssen sich jetzt in Bewegung setzen, um dann gerüstet zu sein, wenn wieder mehr Schutzsuchende kommen. Und sie alle werden dann auch wieder auf Traglufthallen angewiesen sein - auch wenn die momentanen Zahlen etwas anderes vorgaukeln.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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