Kommentar:Suche nach dem Dorfleben

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Die Idee, einen Ortsmittelpunkt mit Wirtshaus und Festsaal zu bestücken, klingt einleuchtend. Aber wenn Brunnthal mehr als eine Schlafstätte sein will, müssen die Bürger mitziehen

Von Bernhard Lohr

Was waren das für hitzige Debatten, als es darum ging, die Aschenbecher aus dem Sitzungssälen zu verbannen. Mancher Gemeinderat wehrte sich in der tiefen Überzeugung, dass das Ratsgremium keinen vernünftigen Beschluss mehr werde fassen können, wenn über dessen Folgen nicht abschließend nach einem kräftigen Zug an der Zigarette sinniert worden ist. Selbstverständlich wurde dann das Beschlossene im Wirtshaus gegenüber mit einer Halben Bier begossen.

Das Rauchen ist mittlerweile selbst im Wirtshaus verboten. Aber zum Bier wollen sich die Gemeinderäte in Brunnthal künftig nach der Sitzung gerne wieder zusammensetzen. Viele gute Ideen wurden schon in lockerer Runde geboren. Wie segensreich kann es sein, wenn sich die Gemeinderäte nicht nur förmlich am Ratstisch begegnen. Insofern kann man nur begrüßen, dass Brunnthals Ortsmitte ein Wirtshaus bekommt. Ganz abgesehen von der belebenden Wirkung fürs Dorfleben insgesamt.

Von dieser reden die Befürworter des kommunalen Großprojekts vor allem, wenn es um ihr Lieblingsprojekt geht. Wer die Bürgerversammlung am Montagabend im Mehrzweckraum der Schule erlebt hat, kann verstehen, dass man sich eine solche Wirkung wünscht. 18 Personen verloren sich in dem nüchternen Saal, darunter viele Gemeinderäte. Vor dieser Kulisse verkündete Bürgermeister Stefan Kern, dass die Gemeinde 100 Meter weiter für 8,5 Millionen Euro ein Wirtshaus mit einem Festsaal bauen will, in dem 200 Personen Platz finden.

Dabei konnte einem aber auch Angst und Bange werden. Wer bitte, fragt man sich, soll das Gasthaus und den großen Saal füllen? Es wird nicht reichen, die Mitte im Dorf zu möblieren, um Leben reinzubringen. Das ehrgeizige Ziel lautet, dem Ort ein Herz einzupflanzen, das kräftig schlägt. Das kann überhaupt nur gelingen, wenn das Gebäude-Ensemble Brunnthal ein Gesicht gibt und identitätsstiftend wirkt. Der architektonisch nüchterne Entwurf, den die Architekten bisher vorgelegt haben, geht daran völlig vorbei. Er wurde zurecht zurückgewiesen. Das geringe Interesse an der Bürgerversammlung zeigt aber ungeachtet dessen, wie schwer es wird, die mit dem kommunalen Wirtshaus gesteckten Ziele zu erreichen. Brunnthal will kein Schlafdorf sein. Die Gemeinderäte alleine können das nicht ändern. Sie müssen die Bürger mitnehmen. Die Befürchtung, dass sich Brunnthal mit der Ortsmitte verheben könnte, wird das Projekt weiter begleiten.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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