Kommentar:Sinnvoller Lückenschluss

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Wer Mitfahrbankerl wegen der Gefahren des Trampens ablehnt, bedient verbreitete Ängste. Dabei war es früher ganz normal, sich gegenseitig im Auto mitzunehmen

Von Wolfgang Krause

Lange bevor die Hippies das Trampen populär - und für manche suspekt - machten, war es auf dem Land üblich, dass man Bekannte mitnahm, die zu Fuß unterwegs waren. Noch Anfang der Neunzigerjahre sah man in Oberbayern regelmäßig alte Männer, die mit ihrem Spazierstock winkten, um auf sich aufmerksam zu machen. An diese Tradition knüpft das System der Mitfahrbankerl an, das in den Nachbarlandkreisen Ebersberg und Wolfratshausen perfektioniert und auch im Landkreis in einigen Gemeinden schon eingeführt worden ist: Wer selbst kein Auto hat, kann dort auf einer Bank Platz nehmen und mit vorgefertigten Schildern anzeigen, in welchen der Nachbarorte er möchte.

Was von vielen als sinnvolle und leicht zu verwirklichende Ergänzung des lückenhaften öffentlichen Nahverkehrs gesehen wird, erinnert die anderen offensichtlich daran, dass ihnen ihre Eltern einst eingebläut haben: "Steig nie bei fremden Leuten ein!" In Straßlach-Dingharting wurde die Aufstellung einer solchen Bank jetzt wie zuvor in Sauerlach unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass Trampen gefährlich sei und man Jugendliche nicht dazu ermutigen wolle. Wie sehr diese Haltung von Vorurteilen bestimmt wird, zeigt die Aussage des Bayernpartei-Gemeinderats Albert Geiger: "Das Mitfahren mit fremden Leuten ist nicht zu empfehlen", sagte er und fügte als Beleg den Satz an: "Ich bin noch nie per Anhalter gefahren."

Tatsächlich muss man sagen: Wer in ein Auto steigt, geht immer ein Risiko ein - auch wenn er selbst am Steuer sitzt oder den Fahrer kennt. Natürlich ist dieses Risiko etwas höher, wenn man mit einem oder einer Unbekannten mitfährt. Aber es ist jedem freigestellt, ob er das tun möchte: Wer sich auf ein Mitfahrbankerl setzt, kann immer noch ablehnen, wenn ihm ein Autofahrer betrunken oder auf andere Weise suspekt vorkommt. Und er kann sich auch vornehmen, dass er nur mit Bekannten mitfährt. Das dauert dann zwar meist etwas länger. Aber es sollte, wenn sich das System erst einmal etabliert hat, auf kurzen Strecken auch funktionieren.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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