Kommentar:Sie sind so frei

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Vieles ist bei den Freien Wählern improvisiert. Doch Streit gibt es wie in einer ganz normalen Partei

Von Bernhard Lohr

Wer die Freien Wähler ärgern will, kann ihnen vorhalten, sie seien inzwischen eine ganz normale Partei. Schließlich gibt es bei ihnen genauso Streit wie bei denen, von denen sie sich sonst gerne abheben. Die CSU macht es in Bund und Land vor, wie man sich zerlegt, und die SPD sogar im Landkreis. Doch wer genau hinschaut, erkennt, dass bei den Freien Wählern Rivalitäten und persönliche Empfindlichkeiten hochkochen, weil sie so sind, wie sie sind. Vieles bei den Freien Wählern und Unabhängigen im Landkreis München ist improvisiert. Ortsverbände arbeiten im Lokalen vor sich hin, ohne großes Interesse an der Politik in Land und Bund. Viele ihrer Mitglieder wollen keine Partei sein mit gefestigten, klaren Strukturen, obwohl sie es spätestens seit der jüngsten Wahl und dem Einzug in die Landesregierung sind. In der bunten Gemeinschaft ist vieles nicht geklärt. Bis hin zu der zentralen Frage: Will man eine politische Kraft sein, die überregional Einfluss nimmt? Selbst die Kreispolitik ist manchen zu fern.

Das ist der eigentliche Grund für den aktuellen Konflikt. Otto Bußjäger schweben die Freien Wähler als kampagnenfähige Bewegung vor, die politische Konzepte entwickelt. Wer das will, dem reichen natürlich sporadisch angesetzte Vorstandssitzungen nicht aus, der will mehr inhaltliche Debatten. Bußjäger steht also für eine Weiterentwicklung der Freien Wähler in Richtung einer klassischen Partei. Der von ihm kritisierte Kreisvorsitzende Nikolaus Kraus und die ihm loyal verbundene Kreisgeschäftsführerin Ilse Ertl haben es in der Tat versäumt, die Arbeit der Freien Wähler zu professionalisieren. Allerdings verkennt Bußjäger, wie groß die Vorbehalte gegenüber einer solchen Entwicklung sind. Er ist für seine Ungeduld und seinen Ehrgeiz bekannt, was viele als Hang zum Aktionismus kritisieren. Interessant wäre zu erfahren, ob er mit seinem Elan die Freien Wähler voranbringen könnte oder ob er seine Leute überfordern würde. Für eine Antwort darauf, hätte er gegen Kraus bei der Wahl des Vorsitzenden antreten - und natürlich gewinnen müssen.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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