Kommentar:Schrille Töne einer Minderheit

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Zu glauben, allein Lautstärke und Wortwahl würden eine Mehrheit machen, ist ein fataler Irrtum

Von Martin Mühlfenzl

Wenn auf Bürgerversammlungen im Zusammenhang mit dem Bau von Häusern für Flüchtlingen von "Ghettoisierung" gesprochen wird, wenn "besorgte Bürgerinnen" in Grünwald daran glauben, bald in von Ausländern und damit natürlich auch von Gewalt dominierten "Banlieues" leben zu müssen, wenn bei einer Informationsveranstaltung immer wieder der Begriff "Vergewaltigung" durch den Saal hallt - immer dann wird deutlich, dass sich in der Asyldebatte auch im Landkreis München die Intonation geändert hat.

Der Ton macht bekanntlich die Musik. Und die von Einwanderungsgegnern, Kommentatoren in sozialen Medien verbreitete ist immer öfter auch von Ängsten und Sorgen getragen - und somit lauter, schriller, hässlicher. Auch den Landkreis hat das unheilvolle Argument erreicht, mit den Ereignissen der Kölner Silvesternacht sei endlich die Wahrheit über all die jungen, grapschenden und vergewaltigenden Flüchtlinge in diesem Land zutage getreten. Dieses Bild versuchen die Gegner von Unterkünften in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft in die Gesellschaft hineinzutragen - sie schreien es auf Versammlungen heraus, sie posten es in Netzwerken und sie schreiben es an ihre Bürgermeister.

Angst zu haben, Sorgen in sich zu tragen und diese auch zu artikulieren, gehört zu einer offen ausgetragenen Debatte über die Flüchtlingspolitik - jener der Bundeskanzlerin und der des Münchner Landrats und aller 29 Bürgermeister. Aber zu glauben, allein Lautstärke und Wortwahl - etwa junge Männer würden Grünwald "fluten" - würden aus einer Minderheit die Mehrheit machen, ist ein Irrtum. Insbesondere all jene, die sich für die Schutzsuchenden im Landkreis München engagieren, sollten nicht daran zweifeln müssen, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen das Lied vom bösen jungen Flüchtling nicht mitsingen wird.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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