Kommentar:Schnelle Entscheidung

Lesezeit: 1 min

In Pullach könnte das Wort Bürgerbeteiligung zum Wort des Jahres werden. Weil die Gemeinderäte sich auf kein Grundstück für eine Flüchtlingsunterkunft einigen können oder wollen, sollen es jetzt die Bürger richten. Dabei besteht die Gefahr des St. Florians-Prinzips

Von Konstantin Kaip

Bürgerbeteiligung ist ein wohlklingendes Wort, verweist es doch direkt auf den Kern der Demokratie: das Mitgestalten gemeinsamer Zukunft. In Pullach hat die Bürgerbeteiligung das Zeug, zum Wort des Jahres zu werden. Schließlich ist sie essenzieller Bestandteil des gerade entstehenden Ortsentwicklungsplanes. Und seit Dienstagabend auch der Entscheidung, welches Grundstück die Gemeinde dem Landratsamt für eine Flüchtlingsunterkunft anbieten soll. Die Mehrheit des Gemeinderates will die Pullacher in die schwierige Debatte mit einbeziehen.

Anders als beim Leitbild für die Ortsentwicklung, wo die Bürgerbeteiligung politisch geboten ist, wird sie bei der Frage nach der Flüchtlingsunterkunft jedoch kaum helfen. Das hat die Gemeinderatssitzung am Dienstag deutlich gezeigt: 80 Pullacher verfolgten die Debatte über die dringende Entscheidung. Einer von ihnen wohnt seit 17 Jahren an der Hans-Keis-Straße. Der Kindergarten in seiner Nachbarschaft ist für ihn zwar laut, aber akzeptabel, "ein Asylheim" habe dagegen "eine andere Dimension". Derlei diffuse Ängste überraschten genauso wenig wie das Fazit der Befragung, zu der die Wählergruppe "Wir in Pullach" zuvor aufgerufen hatte: dass die Gemeinde keines ihrer wertvollen Grundstücke anbieten soll. Beim nun vereinbarten Infoabend werden voraussichtlich zahlreiche Anwohner Argumente vorbringen, warum ihre Straße genauso bleiben muss, wie sie ist und eben keine Flüchtlingsunterkunft verträgt. Die dringende Entscheidung, wo diese denn entstehen soll, wird so nur weiter hinauszögert. Fallen muss sie am Ende aber doch. Im schlimmsten Fall dann eben ohne Zutun der Kommune, wie schon bei den Notunterkünften in der Turnhalle und der Burg Schwaneck.

Die Gemeinderäte sind gewählt, um Entscheidungen für die Bürger zu treffen - und diese nachvollziehbar zu machen. So ist das in einer repräsentativen Demokratie. Statt also die Debatte offen und den Nachbarn ihre diffusen Ängste zu lassen, sollte sich der Gemeinderat schnell auf ein Grundstück einigen. Damit aus dem abstrakten "Asylheim" in den Köpfen mancher Bürger ein Haus mit neuen Nachbarn wird.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: