Kommentar:Realitätsferner Schnellschuss

Lesezeit: 1 min

Ein Regierungsbezirk München gibt keine Antwort auf bestehende Probleme in der Region München. Söders Vorschlag droht eher, neue zu schaffen

Von Martin Mühlfenzl

Dem Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die Landeshauptstadt München zu einem eigenen Bezirk erklären zu wollen, wohnt ein gewisser Witz inne. Käme es wirklich so weit, würden Landkreisbürger, die im Landratsamt etwas zu erledigen haben, nicht nur den Landkreis verlassen, sondern auch gleich den Regierungsbezirk wechseln. Die Behörde steht bekanntermaßen am Mariahilfplatz in der Au. Und schon alleine diese Tatsache ist Beleg genug dafür, wie eng Landkreis und Landeshauptstadt miteinander verwoben sind - und wie wenig durchdacht die Idee des Ministerpräsidenten ist.

Markus Söder hat in einem Punkt recht: München ist das "vitale Herz Bayerns". Das pulsierende und prosperierende Herz des Freistaats, das mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat als Städte wie Schweinfurt und Hof oder Landkreise wie Freyung-Grafenau und Tirschenreuth. Der Zuzug in die Landeshauptstadt ist ungebrochen, München erstickt im Verkehr, Wohnraum wird immer knapper und teurer, der öffentliche Nahverkehr ist längst an der Belastungsgrenze angelangt. Wenn der Ministerpräsident nun aber glaubt, hinter der Stadtgrenze beginne der ländliche Raum, in dem die Menschen von all dem noch nichts gehört hätten, schrammt er gedanklich weit an der Realität vorbei. Die Probleme der Stadt sind auch die Probleme des Landkreises München - von Unterschleißheim über Ottobrunn bis Gräfelfing. Die Region - nicht nur die Landeshauptstadt - ächzt unter einem Druck, der tagtäglich zunimmt. Ein neuer Regierungsbezirk wird zur Lösung all dieser Probleme nichts beitragen.

Neues aufzubauen, um auch neuen Problemen der Gegenwart zu begegnen, ist der richtige Weg - Bewährtes dafür zu zertrümmern, aber ein Irrweg. Die am schnellsten wachsende Region Deutschlands benötigt keine neuen kleinteiligen Strukturen, die neue bürokratische Hürden aufbauen und politische Prozesse eher ausbremsen als beschleunigen. Das gilt nicht nur für die Landeshauptstadt, dieses vitale Zentrum, sondern gleichermaßen für den bevölkerungsreichsten Landkreis im Freistaat, der sich von einem ländliche Raum längst zum ökonomischen Motor Bayerns entwickelt hat - gleich hinter der Stadtgrenze.

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: