Kommentar:Raus aus den Autos

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Es hilft nichts, immer noch mehr Spuren und Kreisel zu bauen, der Stau bleibt

Von Martin Mühlfenzl

Noch in den Sechzigerjahren waren auf deutschen Autobahnen am Tag im Schnitt etwa 10 000 Fahrzeuge unterwegs; heute sind es bereits fünf Mal so viele. Wie gesagt: auf allen deutschen Autobahnen - im Schnitt. In Aschheim, Ismaning, Unterschleißheim, Feldkirchen oder Haar wären die Bewohner froh, wenn es heutzutage nur 50 000 Fahrzeuge wären. In kaum einer anderen Region der Republik zeigt sich, dass das deutsche Verkehrsnetz am Anschlag ist - und wie viel in den vergangenen Jahrzehnten verschlafen worden ist, um den Infarkt auf den Straßen zu verhindern.

Die Anschlussstelle Aschheim/Ismaning der A 99 passieren bis zu 160 000 Fahrzeuge am Tag; an normalen Werktagen staut sich die Kolonne auf der A 94 von der Landeshauptstadt an Riem vorbei bis ans Autobahnkreuz München-Ost. Und so sucht das Bundesverkehrsministerium auf dieser wichtigen Ader die Lösung in immer neuen Spuren und Auf- und Zufahrten. Das Kreuz Ost zu erneuern, ist freilich richtig, weil es bröselt und bröckelt - also einfach in die Jahre gekommen ist. Zur Lösung der eigentlichen Probleme aber wird es kaum beitragen. Denn wenn die Blech-Karawane einfach nicht mehr weiterziehen kann, ist es unerheblich, ob sie auf den alten Auffahrten des Kleeblatts steht oder auf neuen, modernen Overfly-Viadukten.

Vielmehr müssen die Menschen aus ihren Autos, in denen sie meist alleine auf dem Weg zur Arbeit sitzen, herausgeholt werden. Es muss ihnen ein Angebot gemacht werden, das sie nicht ablehnen können: Ein gut ausgebauter, günstiger und zuverlässiger Personennahverkehr, der weit in die Region hineinreicht. Ein dichtes Netz aus S-, U- und Trambahnen. Eng getaktete Regionalzüge. Das Geld ist vorhanden, um die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte wenigstens abzuschwächen - Bund und Freistaat müssen es nur richtig investieren.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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