Kommentar:Raus aus dem Dschungel

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Der Landkreis muss sich weiter für eine echte Tarifreform einsetzen - London könnte ein Vorbild sein

Von Martin Mühlfenzl

An Bahnhöfen im Landkreis sind manchmal wahnwitzige Szenen zu beobachten: Da ergreifen Einheimische rasend schnell die Flucht, wenn sie verzweifelte Touristen an den Fahrkartenautomaten des MVV erblicken. Lieber verstecken sich die Eingesessenen, bevor sie sich die Blöße geben, den Ortsfremden ein Ticketsystem erklären zu müssen, das sie selbst hinten und vorne nicht verstehen. Der Wahnsinn ist Alltag auf Bahnsteigen von Unterschleißheim bis Pullach.

Mehr als vier Jahre ist es nun her, dass die Verbundlandkreise innerhalb des MVV eine Tarifreform angestoßen haben, um das irrsinnige Wirrwarr aus Ringen und Zeitzonen in ein verständliches, einfaches System umzuwandeln. So wie es bisher aussieht, wird sich dieser Wunsch nur bedingt erfüllen. Zu viele Einzelinteressen - vor allem jene zwischen Stadt und Umland - machen den großen Wurf schier unmöglich; was nach endlosen Verhandlungen momentan als Reform auf dem Tisch liegt, liest sich wie ein unnützer, verwässerter Formelkompromiss: acht Tarifkreise. Wie der wirtschaftsstärkste und bevölkerungsreichste Landkreis München davon profitieren soll, bleibt mehr als schleierhaft.

Landrat Christoph Göbel hat dieser Tage ein Tarifsystem begutachtet, das bei ihm offenbar bleibenden Eindruck hinterlassen hat: die Londoner Oyster Card. Ein Ticketsystem, das in seiner Einfachheit kaum zu schlagen ist. Nun liegt es am Landrat, als Gesellschafter innerhalb des Tarifverbundes auf eine wirkliche Entflechtung des kaum zu durchschauenden MVV-Dschungels zu dringen. Dabei muss Göbel vor allem der Landeshauptstadt deutlich machen, dass eine Vereinfachung - vielleicht nach dem Londoner Modell - auch für die Münchner viele Vorteile mit sich bringt. Schon heute pendeln mehr Menschen aus der Stadt zur Arbeit in den Landkreis als in umgekehrter Richtung. Dieses Argument ist ein entscheidendes Pfund, wenn es um die Frage der Ticketpreise geht.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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