Kommentar:Nachfolger stehen nicht Schlange

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Einst enge Weggefährten wenden sich ab. Aber Natascha Kohnen weiß: Freunde sind in der Politik selten

Von Lars Brunckhorst

Zwei Jahre und neun Monate ist es gerade einmal her, dass Natascha Kohnen den größten Hit landete, den ihre Partei, ja die ganze bayerischen Politik jemals auf Facebook hatte. Hunderttausende klickten ihre flammende Rede im Landtag gegen die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung, Tausende teilten oder likten sie. In der damals noch von Florian Pronold und Markus Rinderspacher geführten und bei 16 Prozent dahin dümpelnden SPD wirkte die Generalsekretärin schlagartig wie ein frisches, unverbrauchtes Gesicht, das Hoffnung versprach. Nicht einmal drei Jahre später gilt Kohnen vielen Genossen als so verbraucht und überholt, dass sie sie so schnell wie möglich los haben wollen.

Seither ist die Neubibergerin zur Parteichefin in Bayern und Spitzenkandidatin aufgestiegen und danach jäh wieder abgestürzt. 9,7 Prozent bei der Landtagswahl am 14. Oktober: Dass die SPD nach dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte nicht "einfach zur Tagesordnung übergehen" kann, wie die 29 Unterzeichner eines Brandbriefes schreiben, versteht sich. Und dass man "über alles, über wirklich alles reden" müsse, hat Kohnen fast wortgleich selbst nach der Wahlniederlage gesagt. Die Frage ist nur: Ändert sich etwas, wenn die SPD ihre Vorsitzende, die sie vor nicht einmal einem Jahr nach einer Mitgliederbefragung mit großer Mehrheit an die Spitze gewählt hat, jetzt schon wieder absägt? Es ist ja nicht gerade so, dass die geeigneten Nachfolger Schlange stehen.

Für Kohnen besonders bitter dürfte sein, dass auch ehemals enge Weggefährten aus dem eigenen Kreisverband zu den Unterzeichnern des Briefes gehören: Bela Bach, die SPD-Kreisvorsitzende, die von ihr selbst gefördert wurde, und Johanna Rumschöttel, die Alt-Landrätin, die ihrerseits einst Kohnen förderte. Aber nach fast 20 Jahren in der Politik weiß Kohnen, wie rar dort echte Freundschaften sind. Und wie schnell man eben noch gefeiert wird, um wenig später verdammt zu werden.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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