Kommentar:Lasst die Kirche im Dorf

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Es gibt Gründe gegen ein Gewerbegebiet in Keferloh. Die vermeintliche Schönheit des Weilers zählt eher nicht dazu

Von Lars Brunckhorst

Die Worte des Kreisheimatpflegers sind drastisch: Keferloh, warnt Alfred Tausendpfund, verliere durch ein Gewerbegebiet "seine Ursprünglichkeit, seine Unverfälschtheit, seine Besonderheit, seine Identität". Der Weiler werde "vollständig und in nachteiliger Weise" verändert, das Gewerbegebiet sei der "Sargnagel" Keferlohs. Starker Tobak. Bei ein wenig gelassenerer Sicht auf die Planungen und den kleinen Flecken im Dreieck zwischen Grasbrunn, Haar und Putzbrunn muss man sagen: Gemach! Denn Keferloh ist schon lange nicht mehr das Kleinod, als das es der leidenschaftliche und streitbare Kreisheimatpfleger bezeichnet.

Zwar mag Keferlohs Geschichte bis ins Jahr 955 zurückreichen, als dort nach der siegreichen Schlacht auf dem Lechfeld die Pferde der Ungarn verkauft worden sein sollen und damit der Grundstein für das bis heute Anfang September gefeierte Landwirtschaftsfest, den Keferloher Montag, gelegt wurde; auch steht in Keferloh mit St. Ägidius, diesem aus dem 12. Jahrhundert stammenden Kirchlein, der älteste sakrale Bau im Raum München. Aber damit hat es sich dann auch schon mit der Schönheit des Örtchens. Eingepfercht zwischen der Bundesstraße mit ihrer Tankstelle, heruntergekommenen Tennishallen und einem Parkplatz, auf dem einmal im Monat ein Trödelmarkt stattfindet, fristet St. Ägidius schon lange ein Schattendasein. Daran hat auch die gelungene, zurückhaltende Restaurierung nichts geändert.

Mit anderen Worten: Die Ursprünglichkeit, Unverfälschtheit und Identität, die Heimatpfleger Tausendpfund beschwört, hat Keferloh schon lange verloren. Man kann darüber streiten, ob ein Gewerbegebiet an diesem Standort - mitten in der Landschaft, abgenabelt von jeder Siedlung und weit von der nächsten S-Bahn entfernt - richtig ist. Man kann auch grundsätzlich infrage stellen, ob jede Gemeinde für sich Gewerbegebiete ausweisen muss. Aber Fragen der Kunst, Kultur und Denkmalpflege sprechen sicher am wenigsten gegen ein Gewerbegebiet in Keferloh. Man sollte bei der Argumentation die Kirche im Dorf lassen.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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