Kommentar:Klare Kante statt Mittelfinger

Lesezeit: 1 min

Dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel auf Peter Paul Gantzers Kritik eingeht, ist löblich. Doch für die Basis ist das nicht genug. Die Mitglieder wollen eine klare Haltung ihrer Partei sehen.

Von Martin Mühlfenzl

Sigmar Gabriel ist Kritik gewohnt. Persönliche Angriffe und Attacken auf seine Führungsqualitäten als Parteichef wie auch Wirtschaftsminister sind für den Sozialdemokraten an der Tagesordnung. So lässt sich freilich auch das oft dünnhäutige Auftreten des SPD-Chefs erklären, der schon mal den Mittelfinger als Antwort auf Beleidigungen und Feindseligkeiten - in diesem Fall von Neonazis - wählt. Dem SPD-Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer hat Gabriel indes stilecht mit einem ausführlichen Brief geantwortet. Und auch das ist ein Indiz für das Innenleben des SPD-Chefs: Kritik von der Basis geht nicht spurlos an ihm vorbei.

Nun ist die Form der Reaktion - Brief statt beleidigtes Stillhalten - das eine; viel wichtiger aber ist der Inhalt des Schreibens, das in dieser Form auch an den Ortsvereinsvorsitzenden von Ottobrunn, Ismaning oder Buxtehude hätte gehen können. Es ist der plakativ aufgezogene Versuch, ein sehr nachdenkliches SPD-Mitglied wieder auf Spur zu bringen. Es von den bisherigen Erfolgen - die in Dauerschleife zu hörende Rente mit 63 und der Mindestlohn - zu überzeugen, die soziale Gerechtigkeit als Selbstverständnis der Partei zu stärken und trotz "schwieriger Zeiten" Hoffnung im Hinblick auf die Bundestagswahl im Herbst 2017 zu verbreiten.

Mit Hoffnung aber lässt sich keine konkrete Politik gestalten - und keine Bundestagswahl gewinnen. Und all jene, die in den Landkreisen und Kommunen den Kurs, die Programmatik und somit den Wahlkampf ihrer Partei gestalten und tragen sollen, werden die Bürger mit Hoffnungen alleine nicht überzeugen können. Dies hat Peter Paul Gantzer zum Ausdruck gebracht und fordert von seiner Partei nicht weniger als Geschlossenheit und klare Positionen. Davon aber steht in Gabriels Schreiben nichts.

Die Basis der SPD ist auch im Landkreis München verunsichert. Die Mitglieder in den Ortsvereinen, die Stadt-, Gemeinde- und Kreisräte sollen den Menschen erklären, wofür die älteste Partei Deutschlands heute steht. Oft können, manchmal wollen sie dies nicht mehr. Es bedarf wohl noch vieler Briefe an den Vorsitzenden. Der Aufschrei einer leidenden und derzeit nicht mehr ganz so langsam sterbenden Volkspartei muss von unten kommen. Nicht mit dem Mittelfinger. Sondern mit Argumenten, klarer Haltung und Kante.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: