Kommentar:Großer Frust statt großer Wurf

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Trotz Ausbaus der Stammstrecke bleibt das S-Bahnangebot mangelhaft. Die Politik hätte viel früher auf Bus und Bahn setzen müssen

Von Wolfgang Krause

Die Pendler im Großraum München sind es gewohnt, Pannen und Verspätungen stoisch zu ertragen. Vielleicht ist deshalb der große Aufschrei über die Verschleppung des S-Bahnausbaus bisher ausgeblieben. Denn eigentlich ist es unfassbar, wie insbesondere die bayerische Staatsregierung diesen Teil der Infrastruktur systematisch vernachlässigt. 2010 sollte die zweite Stammstrecke ursprünglich fertig sein, aber erst im vergangenen Jahr wurde überhaupt mit dem Bau begonnen. Und nun müssen die Pendler in Haar, Grasbrunn, Vaterstetten und Zorneding feststellen, dass sich das Angebot für sie nach der für 2026 angepeilten Eröffnung des Tunnels unter der Münchner Innenstadt sogar noch verschlechtern soll. Verständlich, dass Kommunalpolitiker der betroffenen Gemeinden empört sind.

Dabei war stets klar, dass die zweite Röhre alleine die Probleme nicht lösen würde. Der Milliarden-Bypass verdoppelt zwar die Kapazität der seit Jahren an ihre Grenzen stoßenden ersten Stammstrecke. Um den gewonnenen Spielraum auszunutzen, bräuchte es aber weitere Investitionen - zum Beispiel in zusätzliche Züge und neue Gleise auf den Außenästen. Vieles davon hätte man längst anpacken und das Angebot auch ohne zweite Stammstrecke erweitern können. Doch statt all die kleinen Verbesserungen umzusetzen, werden die Pendler seit mehr als einem Jahrzehnt auf den großen Wurf vertröstet, den der zweite Tunnel angeblich bedeutet. Und wenn er endlich fertig ist, ist wieder kein Geld da.

Während in den vergangenen 20 Jahren unzählige Autobahnen und Straßen rund um München gebaut oder erweitert wurden, ging beim Schienenverkehr praktisch nichts voran. An dieser Entwicklung haben aber auch die Kommunalpolitiker ihren Anteil. Statt eine Umgehungsstraße nach der anderen zu bauen, sollten sie den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und gemeinsam Druck machen, dass auch Bund und Land ihren Anteil dazu beitragen. Nur so können sie die Verkehrsentlastung erreichen, die sie sich alle auf die Fahnen geschrieben haben.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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