Kommentar:Gemeinderäte ohne Gestaltungswillen

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Der Bürgerentscheid in Hohenbrunn ist abgesagt, doch das Problem des großen Flächenverbrauchs für einen Parkplatz bleibt

Von Christina Hertel

Sigrid Bauer ist Musiklehrerin, sie ist zwar Mitglied bei den Grünen, sitzt aber nicht im Gemeinderat. Anfang des Jahres fing die 60-Jährige alleine an, Unterschriften für eine Tiefgarage unter dem geplanten Supermarkt in Hohenbrunn zu sammeln. 1100 kamen zusammen - genug um ein Bürgerbegehren zu starten, genug, dass sich ihr Gemeinderäte von Grünen und Bürgerforum anschlossen. Dann fand eine Diskussionsrunde statt, das Publikum buhte sie aus, die Gemeinderäte zogen sich zurück. Es ist verständlich, dass Sigrid Bauer nicht alleine verantwortlich gemacht werden will, wenn es mit dem Supermarkt doch länger dauert oder gar nicht klappt. Völlig unverständlich ist hingegen, wie die Gemeinde die Planungen für den Markt und die Wohnbebauung von vornherein angegangen hat. Seit zwei Jahren diskutieren die Gemeinderäte über Firsthöhen und Dachschrägen - doch dass ein Parkplatz zu viel Fläche verbraucht, fiel erst jetzt so richtig auf.

Der Bauunternehmer Johannes Fischer aus der Oberpfalz präsentierte im Januar 2017 zum ersten Mal seine Vision für das Areal an der Putzbrunner Straße: Supermarkt, Wohnungen, Ärztehaus - es machte den Eindruck, als hätte der Gemeinderat, der erst kurz zuvor von dem Verkauf des Grundstücks erfahren hatte, gar keine andere Wahl als dem Ganzen zuzustimmen. Dabei ist nicht der Gemeinderat derjenige, der sich von einem Investor die Pläne diktieren lassen sollte. Gerade in der Boomregion rund um München, in der Grund knapp ist und jeder etwas vom Kuchen abhaben will, sollte es anders herum sein. Denn hier lässt sich, wenn der eine Investor abspringt, mit Sicherheit ein anderer finden. Doch offensichtlich haben einige Gemeinderäte und Bürgermeister noch nicht verstanden, wie viel Macht sie haben und mit wie viel Bedacht sie ihre Entscheidungen treffen müssen. Der Gemeinderat besitzt Planungshoheit, er kann Ackerland in Bauland verwandeln, Bebauungspläne ablehnen oder genehmigen. Kurz: Er kann bestimmen, wie eine Gemeinde aussehen soll, nicht nur über die Dachneigung. Doch dafür bräuchte es Bürgermeister und Gemeinderäte, die Visionen entwickeln - langfristig und nachhaltig.

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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