Siedlung für Flüchtlinge:Gefährlicher Kulturbruch

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Der Streit ist ein wichtiges Instrument der Demokratie. Eine sachliche Debatte hilft, Differenzen zu überbrücken. Eine unsachliche hingegen schürt gefährliche Ressentiments

Von Martin Mühlfenzl

Streit ist ein überlebenswichtiges Instrument der Demokratie. Die offen ausgetragene Kontroverse lebt von unterschiedlichen Sichtweisen, von Meinungsverschiedenheiten - und einer gewissen Offenheit, sich den Positionen des anderen annähern zu können und den, der anderer Meinung ist, auch verstehen zu wollen. Ist diese Unvoreingenommenheit gegeben, profitiert eine Gemeinschaft vom Meinungsstreit, kann sich eine Gemeinde weiterentwickeln - und Differenzen überbrücken.

Diese Stärke besaß die Gemeinschaft in Ottobrunn bisher. Am Mittwochabend aber hat sich im Streit um eine Siedlung für Flüchtlinge am Kathi-Weidner-Weg ein Kulturbruch in der Auseinandersetzung vollzogen, der droht, die Stimmung innerhalb des gesamten Landkreises zu vergiften. Ja, es ist das gute Recht der Ottobrunner Bürger, der Anwohner des betroffenen Areals zumal, ihre Ängste und Befürchtungen öffentlich zu äußern. Niemand kann ihnen vorschreiben, stillschweigend hinzunehmen, dass mehr als 400 Neubürger aus fremden Ländern plötzlich zu unmittelbaren Nachbarn werden sollen. Eine Gemeinde, eine Gesellschaft muss diese Debatte aushalten - wenn sie sachlich, realitätsnah und manierlich geführt wird. Es gehört aber nicht zu den Rechten der Bürger, die Debatte mit Unwahrheiten und bewusst gewählten Überhöhungen zu unterfüttern, um Ängste und Ressentiments weiter zu schüren und in die Gemeinde hineinzutragen. Das ist unredlich - und gefährlich.

Ottobrunn ist nicht Köln. Und der Anstieg der Flüchtlingszahlen hat weder im Landkreis noch im Bund eine Steigerung der Kriminalitätsrate zur Folge. Der Landkreis hebt sich in allen Belangen - der Sozialstruktur, der Bildung, der Kriminalität und auch und gerade bei der Integration von Migranten - vom Bundesdurchschnitt positiv ab. Zur Wahrheit gehört, dass diese Region dem Wir-schaffen-das-Prinzip weit näher ist als der überwiegende Rest der Republik. Diese Stärke muss bei allen Ängsten die Debattenkultur bestimmen.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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