Kommentar:Gefährliche Abhängigkeit

Lesezeit: 1 min

Die Gewerbesteuer ist für Kommunen Fluch und Segen zugleich - und muss dringend reformiert werden

Von Lars Brunckhorst

Die Gewerbesteuer ist das goldene Kalb der Kommunalpolitik. Alle Versuche, sie zu reformieren, sind gescheitert, weil Bürgermeister von Flensburg bis Garmisch sie mit Händen und Füßen verteidigen. Gilt ihnen die Gewerbesteuer doch als das größte Rad, um die Einnahmen der Gemeinde steuern zu können. Im Vergleich dazu sind Grund- und Hundesteuer sowie Gebühren für Abwasser, Müllabfuhr und Hallenbäder nur Zahnrädchen im Zahlenwerk Kommunalhaushalt.

Doch die Gewerbesteuer ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich kann eine Gemeinde etwa Firmen anlocken, indem sie die Hebesätze besonders niedrig ansetzt; Grünwald etwa macht das seit Jahrzehnten erfolgreich vor. Die Aussicht auf sprudelnde Steuereinnahmen verleitet viele Stadt- und Gemeinderäte aber auch dazu, sorglos Gewerbeparks an die Ortsränder zu betonieren. Bayern ist auch deshalb das wirtschaftsstärkste Bundesland, weil es Deutscher Meister im Flächenverbrauch ist.

Dabei ist die Gewerbesteuer auch die volatilste Einnahmequelle. Im Gegensatz zur Grundsteuer und zur Einkommensteuerbeteiligung schwankt sie stark. Geschäftserfolg und Steuerabschreibungen machen sie für Kämmerer zu einer schwer kalkulierbaren Größe. Gerade Kommunen, die sich an einige wenige Großfirmen verkaufen, machen sich abhängig. Schon manche prestigeträchtigen Konzertsäle und Schwimmbäder, die im Überschwang einer Firmenansiedlung gebaut wurden, haben Rathäuser an den Rand des Ruins getrieben, wenn ein Unternehmen auf einmal weiterzog.

Der aktuelle Fall in Garching, wo offenkundig ein Großkonzern 22 Millionen Euro von der Stadt fordert, führt dieses Dilemma einmal mehr vor Augen - ebenso der Untergang von Wirecard in Aschheim. Die Gemeinden sind dann die doppelten Verlierer: Sie müssen nicht nur bereits ausgegebene Beträge erstatten, sondern diese auch noch mit sechs Prozent verzinsen - das ist weit mehr, als jede Bank auf Guthaben zahlt. Höchste Zeit, die Gewerbesteuer zu reformieren.

© SZ vom 24.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: