Kommentar:Freie Fahrt für Bürgerrechte

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Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut. Auch dann, wenn gegen Verkehrslärm auf die Straße gegangen wird - und ein paar Autofahrer deshalb ausgebremst werden

Von Bernhard Lohr

Wer sich mit seinem Auto in den Münchner Stadtverkehr stürzt, darf sich nicht beklagen. Zäh fließender Verkehr und Stau sind normal. Darüber regt man sich tunlichst nicht mehr auf. Und doch: Immer wieder montags konnte einem schon die Galle hochkommen, wenn auf dem Altstadtring wieder alles dicht war. Spätestens wenn irgendwann ein Polizeiwagen mit Blaulicht auftauchte, der die Straße blockierte, dämmerte es dem Autofahrer. Ach ja, es war wieder Pegida-Tag. Und die Leute mit ihren menschenverachtenden Parolen forderten ihr Bürgerrecht ein; insgesamt mehr als 130 Mal in gut einem Jahr.

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut und genießt im Grundgesetz einen hohen Schutz. Wenn nun das Münchner Landratsamt den Antrag von SPD und Grünen in Taufkirchen zurückweist, eine Stunde lang auf der Giesinger Autobahn für besseren Lärmschutz zu demonstrieren, dann muss ganz genau abgewogen werden. Die Lärmschutz-Aktivisten um Matteo Dolce haben gute Argumente. Sie zieht es nicht willkürlich auf die Autobahn. Der von dort ausgehende Lärm bildet das Zentrum ihres Anliegens. Mit Recht verweisen sie auf frühere Demonstrationen auf Autobahnen.

Sicher. Es gibt auch Gegenargumente. Womöglich werden am Ende Juristen entscheiden. Dass mit großer Selbstverständlichkeit wegen der aus vielen Gründen ärgerlichen Pegida-Demonstrationen immer wieder Teile der Innenstadt lahmgelegt wurden, nahmen alle zähneknirschend hin, denen Bürgerrechte heilig sind. Seit Mitte Mai hat Pegida übrigens auf Kundgebungen verzichtet, als Ergebnis einer strengeren Genehmigungspraxis. Diesen Montagabend war dennoch der Karl-Scharnagl-Ring in der Innenstadt gesperrt. Die Polizei verwies auf Nachfrage auf die Blade-Night, die aber auf anderen Routen unterwegs war und wegen der andere Straßen dicht waren. Es gibt viele Gründe, Autofahrer mal auszubremsen. Eine Demonstration ist ein triftiger Grund.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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