Kommentar:Ernste Lage am Dölling

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Die Caritas will auf einem ihrer Grundstücke eine neue Unterkunft bauen. Doch unter Anwohnern regt sich Widerstand. Da tut es gut, dass der Bürgermeister an die Verantwortung der Bürger seiner Gemeinde erinnert

Von Konstantin Kaip

Die Lage ist ernst. Für immer mehr Menschen dieser Erde. Sie werden in ihren Heimatländern verfolgt, vom Krieg bedroht und bangen um ihr Leben. Sie geben ihre Existenz auf, lassen geliebte Menschen zurück, geben ihr Vermögen zwielichtigen Schleusern und riskieren ihr Leben auf dem Mittelmeer - um in einen Teil der Welt zu gelangen, in dem sie hoffen, ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Die es schaffen, werden verteilt auf Staaten, Länder, Landkreise und Kommunen, 90 Menschen kommen pro Woche im Landkreis München an. Um sie alle unterzubringen, müssen demnächst 20 Turnhallen herhalten. Damit sie nicht in Zelten leben müssen, sollen Traglufthallen errichtet werden. Gleichzeitig sucht das Landratsamt händeringend nach Grundstücken, um neue Unterkünfte zu errichten.

Ein solches hat nun die Caritas in Oberhaching zur Verfügung gestellt. Und die Anwohner im Wohngebiet am Dölling? Sie protestieren. 72 Unterschriften haben sie gesammelt gegen die geplante Unterkunft, weil sie die "überwiegend von Einfamilienhäusern geprägte Struktur" zerstöre. Bei ihnen, sagen die besorgten Unterzeichner, komme nur eine dezentrale Unterbringung in Kleingruppen in Frage, in denen die Integration der Flüchtlinge ohnehin besser gelinge. Dass sie in einem Schreiben der Caritas von der geplanten Unterkunft erfahren haben, hat sie erzürnt. Warum hat man nicht, wie es sich gehört, gemeinsam mit ihnen ein "Gesamtkonzept für den Beitrag der Gemeinde zur Lösung der europäischen Flüchtlingssituation" ausgearbeitet, fragen sie - im Einklang mit der Ortsgestaltung?! Die Lage, finden sie, sei ernst am Dölling.

Bürgermeister Stefan Schelle tut gut daran, an die Verantwortung zu erinnern: den Menschen gegenüber, die nun hier sind, nach allem, was sie auf sich genommen haben. Wie gut ihre Integration gelingt, liegt auch an ihren Nachbarn in den Einfamilienhäusern. Die täten also gut daran, den wahren Ernst der Lage zu erkennen.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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