Kommentar:Ende der Gewissheiten

Lesezeit: 2 min

Die Landtagswahl zeigt: Tiefschwarz ist der Landkreis schon lange nicht mehr

Von Lars Brunckhorst

Die ganz große Sensation, die einige ganz Optimistische vor allem bei den Grünen für möglich gehalten haben, ist dann doch ausgeblieben: Kerstin Schreyer und Ernst Weidenbusch bleiben auch in den kommenden fünf Jahren die direktgewählten Abgeordneten der beiden Stimmkreise im Landkreis München, auch wenn die Kandidaten der Grünen und der Freien Wähler sensationelle Ergebnisse erzielt haben. Der Wahlausgang am Sonntag hat dennoch viele Gewissheiten durcheinander gebracht. Die beiden CSU-Abgeordneten bleiben in mehreren Kommunen unter der wichtigen 30-Prozent-Marke, in anderen schaffen sie es nur noch knapp drüber.

Tiefschwarz ist der Landkreis München dabei schon lange nicht mehr. Schon vor fünf Jahren wie auch bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr erzielten die CSU-Bewerber allenfalls noch relative Mehrheiten. Und das Ergebnis vom Sonntag ist auch nicht über Nacht über die CSU gekommen. Wer wollte, der konnte schon lange erleben, dass die CSU-Basis erodiert. Die Menschen am Stadtrand werden immer städtischer und wählen damit auch immer ähnlicher wie die Münchner. Gerade hier, wo sich Hunderte, ja Tausende für Schutzsuchende engagieren, konnte die CSU mit ihrer Rhetorik in der Flüchtlingspolitik nicht punkten. Angewidert haben sich sowohl wertkonservative wie liberale CSU-Wähler den Grünen, den Freien Wählern oder der FDP zugewandt. Auf der rechten Seite hatte die CSU mit ihrer Strategie im Großraum München wenig zu gewinnen, das zeigen die im Vergleich - glücklicherweise - mageren Zahlen für die AfD. Das ist erfreulich an diesem Wahlabend.

Kerstin Schreyer und Ernst Weidenbusch zahlen mit ihren dürftigen Ergebnissen den Preis für diese verfehlte CSU-Strategie. Beide haben das nicht verdient, sie haben überwiegend gute Arbeit geleistet, müssen aber erkennen, dass eine große Mehrheit im Landkreis sie nicht als ihre direkten Vertreter im Landtag sieht und will. Der Jubel ihrer Parteifreunde am Sonntagabend über ihre Wiederwahl ist denn auch mehr der Erleichterung geschuldet. Spätestens wenn sie an diesem Montag aufwachen, werden sie einsehen, dass sie angezählt sind und die Sensation, die dieses Mal ausblieb, vielleicht in fünf Jahren möglich ist.

Besonders bitter ist der Wahlausgang für die Sozialdemokraten. Die Partei, die in München und vielen großen Kommunen vor der Stadt populäre Bürgermeister stellt, muss auch hier ein Debakel einstecken. Ihre Parteichefin und Spitzenkandidatin Natascha Kohnen kommt selbst im eigenen, heimatlichen Stimmkreis nur noch weit abgeschlagen hinter dem Grünen Markus Büchler, einem Oberschleißheimer, auf Platz drei, ihre Partei hier auf 8,6 Prozent. Schon fangen selbst engste Parteifreundinnen an, von Konsequenzen und personeller Erneuerung zu sprechen. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Auch das ist ungerecht. Denn auch Kohnen hat dieses Ergebnis nicht verdient.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: