Kommentar:Die richtige Antwort

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Spitzenpolitiker beklagen, dass der Siedlungsdruck und die hohe Zahl an Flüchtlingen ein Problem darstellen. Landrat Christoph Göbel ist da schon weiter

Von Martin Mühlfenzl

Bayerns Finanzminister Markus Söder sagt, dass die Flüchtlinge, die in so großer Zahl nach Deutschland kommen, die "Statik" des Landes - also die Gesellschaft - fundamental verändern werden. Zur rhetorischen Taktik der CSU-Führungsspitze gehört es allerdings auch, solch einfache Wahrheiten zwar auszusprechen, Antworten auf die daraus folgenden, drängenden Fragen aber schuldig zu bleiben. Dafür sind andere zuständig. Oft Christsoziale, aber an untergeordneteren Stellen. Münchens Landrat Christoph Göbel etwa.

Göbel widmet sich nicht mehr der Frage, ob Flüchtlinge bleiben werden; der Chef am Mariahilfplatz hat längst akzeptiert, dass mehr als 80 Prozent der Asylsuchenden im Landkreis München dauerhaft hier leben werden. Göbel gibt Antworten auf die Frage, wo diese Menschen künftig wohnen werden. Mitten in unserer Gesellschaft, lautet die ganz banale Antwort. Nicht am Rande, abgedrängt in gettoähnliche Betonwüsten oder modernde Containerlandschaften.

Der Einstieg in eine autarke Wohnbauoffensive, in Kooperation mit den 29 Kommunen des Landkreises und losgelöst von Bund und Ländern, kann für den Landkreis mit seinen heute etwas mehr als 340 000 Einwohnern ein zukunftsweisendes, sinnstiftendes Projekt bedeuten; ein von Vorurteilen befreites Vorhaben, das Flüchtlinge zu Landkreisbürgern macht und Landkreisbürgern - Rentner, Studenten, jungen Familien - Perspektiven in ihrer mittlerweile überteuerten Heimat eröffnet.

Der Bau von Tausenden neuen Wohnungen von Unterschleißheim bis Aying, von Planegg bis Ottobrunn wird die Struktur des Landkreises verändern. Die Wohnungsbauoffensive, die Aufnahme von Menschen aus anderen Ländern wird diese Struktur aber nicht schwächen, sie wird die Statik des Landkreises nicht aus der Balance bringen - sondern festigen. Diese Antwort zu geben, erfordert Mut. Denn nicht alle Menschen, vor allem nicht jene, die Veränderungen fürchten, wollen sie auch hören. Auch das gehört zu den Wahrheiten, die es auszusprechen gilt.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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