Kommentar:Denkmalschutz unterm Hammer

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Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund hätte die Öffentlichkeit beim Verkauf des Hutherhauses mitnehmen müssen

Von Michael Morosow

Gemeinderatssitzungen sind laut Artikel 52 der Bayerischen Gemeindeordnung öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. In der Praxis sind es überwiegend Grundstücks- und Immobiliengeschäfte der Kommunen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit in den Gremien behandelt werden, um die Interessen von Käufern und Verkäufern nicht zu verletzen, so die Begründung. Insofern hat sich die Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) auf eine rechtlich sichere Seite begeben, als sie für Debatte und Beschluss zum Verkauf des in Besitz der Gemeinde befindlichen Hutherhauses die nichtöffentliche Sitzung wählte.

Das Hutherhaus aber ist keine Immobilie, deren Wert sich ausschließlich in Euro bemisst. Das mit mindestens 200 Jahren älteste profane Gebäude in der Gemeinde steht unter Denkmalschutz, es hat einen hohen geschichtlichen Wert, nicht nur für Historiker, es ist kulturelles und geschichtliches Erbe der gesamten Bevölkerung. Dass die Öffentlichkeit von der Diskussion über die weitere Zukunft des Hutherhauses ausgeschlossen wurde, fällt der Gemeinde nun krachend auf die Beine. Es ist nur verständlich, wenn die Mitglieder des Pullacher Geschichtsforums sich vor den Kopf gestoßen fühlten, als sie nur durch Zufall in einer Immobilienanzeige entdeckten, dass das Hutherhaus zum Verkauf steht.

Wie groß Unverständnis und Enttäuschung darüber waren, zeigt die Tatsache, dass das Geschichtsforum nicht davor zurückschreckte, nun erst recht an die Öffentlichkeit zu gehen und kritische Fragen an die Bürgermeisterin zu richten. Das unerschrockene Vorgehen des Vereins ist gleichzeitig Ausdruck seiner Ohnmacht. Das Geschichtsforum, dessen Mitglieder sich seit 2012 dafür engagieren, historische Ereignisse und Entwicklungen in der Gemeinde lebendig zu erhalten, erfahren durch eine Immobilienanzeige vom Verkauf an einen Privatinvestor - peinlicher geht's kaum.

Dabei hätte es eine Möglichkeit gegeben, die Öffentlichkeit mitzunehmen, ohne gegen die Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen, und zwar im ersten Stadium der Debatte. Welche Interessen wären denn verletzt worden, hätte der Gemeinderat öffentlich und grundsätzlich darüber debattiert, ob das alte Hutherhaus an Privat veräußert werden soll und welches Konzept man sich für Sanierung und Nutzung des Gebäudes wünsche? Hierzu hätte man die Öffentlichkeit einladen können, insbesondere das Geschichtsforum. Schade um die vertane Chance.

© SZ vom 11.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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